Ein Winter in der „Bienen-Beute“

Behutsame Stippviste bei den Honiglieferanten seines Vertrauens: Nur eines ärgert Herbert Kastner an seinem Hobby: „Dass ich erst so spät – vor 16 Jahren – damit angefangen habe...“ Foto: Ulrike Havermeyer
Behutsame Stippviste bei den Honiglieferanten seines Vertrauens: Nur eines ärgert Herbert Kastner an seinem Hobby: „Dass ich erst so spät – vor 16 Jahren – damit angefangen habe…“ Foto: Ulrike Havermeyer

Die Tür, die Herbert Kastner heute öffnet, ist gar keine – sondern vielmehr ein Deckel. Doch der ist buchstäblich von staatstragender Bedeutung: Gewährt oder verschließt er doch den Zugang zu einer kompletten und zudem wehrhaft aufgestellten Monarchie. Im Sommer bewohnen rund 50.000 Honigbienen samt ihrer Königin den schlichten Styroporkasten des 60-jährigen Hobbyimkers aus Voltlage. Jetzt, im Winter, sind es noch etwa 5.000.

Fröhliche Bienen-WG

An Feldrändern sind sie postiert. In Streuobstwiesen. Und zwei „Magazin-Beuten“ – so nennt der Honigfachmann die im Stile des einstmals modernen Wohnungsbaus schmucklos und eckig gestapelten Bienenunterkünfte – hat Herbert Kastner in seinem Garten aufgestellt. Insgesamt zehn solche Behausungen besitzt der gelernte Maurer. In jedem Stock lebt ein Bienenvolk. Zehn weitere Beuten beherbergen den geflügelten Nachwuchs – noch nicht in den Ernst der Honigproduktion eingebundene Tiere: eine Art fröhliche Bienen-WG, die dann im kommenden Frühjahr durchstarten wird.

Schmalhans ist Küchenmeister

„Im Winter brauchen die Tiere ihre Ruhe“, erklärt Kastner. Denn: In der blütenfreien Jahreszeit ist bei den Nektar schlürfenden Insekten Schmalhans Küchenmeister. Was im Klartext heißt, dass sie mit ihren im Sommer „eingedeckelten“ – also in den Zellen ihrer Waben verschlossenen – Vorräten auskommen müssen. Das, was die Wabe in den kalten Monaten von ungefähr September bis etwa März hergibt, ist einerseits jener Teil des Honigs, den die Bienen im Sommer produziert und weder an ihren Nachwuchs verfüttert noch an den Imker abgetreten haben. Zum anderen sind einige der Vorratskammern mit dem Zuckerwasser gefüllt, das der Imker seinen Schützlingen am Ende der Saison als Tauschware im Gegenzug zu dem von ihm geernteten Honig anbietet.

35 Grad dank vereinter Muskelkraft

Aber, wenn es keinen Nektar zu holen und keine Brut zu pflegen gibt – wofür verbrauchen die Bienen denn im Winter überhaupt so viel Energie? Herbert Kastner lächelt vielsagend und hebt ganz sachte den grünen Styropor-Deckel an. Wohliges Gebrumsel dringt ihm entgegen. Zwischen den senkrecht in der Beute hängenden Holzrähmchen, die die Waben tragen, krabbeln vereinzelte Sechsbeinchen herum: mit einer, den kühlen Temperaturen geschuldeten, Langsamkeit zwar, aber dafür mit umso emsigerem Flügelschlagen. „Dadurch, dass die Bienen ihre Flugmuskulatur bewegen“, erklärt Kastner, „erzeugen sie Wärme.“ Auf rund 35 Grad Celsius beheizen sie – mit vereinter Muskelkraft – auf diese Weise ihre Winterstube. Selbst wenn es draußen um die minus 20 Grad sind. Am besten funktioniere das übrigens, wenn sich alle Tiere eines Bienenvolks ganz dicht zu einer Traube zusammenschließen, merkt der Imker an. Und ein solches Knäuel aus surrenden Honiglieferanten ist mithin genau der Anblick, über den sich Herbert Kastner am meisten freut, wenn er – ausnahmsweise einmal im Winter – die Tür zur Bienenbeute öffnet. Denn dann weiß er: Alles ist in Ordnung, seinen Bienen geht es gut.

(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 12.12. 2015)