Weihnachtsmenü für Voraus- und Hinterherplanerinnen

Ein starkes Küchenteam: Wenn viele eifrige Hände mit anpacken, gelingt selbst eine anspruchsvolle Mahlzeit wie das weihnachtliche Sechs-Gänge-Menü von Ernährungsberaterin Jutta Gerling (Mitte) mühelos. Foto: Ulrike Havermeyer
Ein starkes Küchenteam: Wenn viele eifrige Hände mit anpacken, gelingt selbst eine anspruchsvolle Mahlzeit wie das weihnachtliche Sechs-Gänge-Menü von Ernährungsberaterin Jutta Gerling (Mitte) mühelos. Foto: Ulrike Havermeyer

Mit meinen weihnachtlichen Routinen liege ich in diesem Jahr ganz wider Erwarten voll im Zeitplan. Den üppigen Festtagsschmaus habe ich – um drohendes logistisches Unheil am Heiligen Abend zu vermeiden – nicht nur längst zubereitet, sondern auch schon aufgegessen. Und das alles Dank Ernährungsberaterin Jutta Gerling. Die gefragte VHS-Kursleiterin hatte jetzt – rechtzeitig vor dem Einsetzen des Feiermarathons – in die Lehrküche der Gemeinschafthauptschule nach Wersen eingeladen, um gemeinsam mit einer verschworenen Gruppe kochbegeisterter Vorausplanerinnen ein opulentes Sechs-Gänge-Menü vorzubereiten – und natürlich: an Ort und Stelle zu verspeisen.

Nur geträumt?

Oooooh … wie das duftet! Ich schließe die Augen. Inhaliere genüsslich das Aroma von Ingwer und Mango, von überbackenem Käse. Von Curry, Limone und zart angebratenem Steak. Wenn ich diesen Moment doch bloß konservieren könnte. Und dann zu Weihnachten einfach wieder anknipsen … Ich stelle mir vor, wie meine Familie erwartungsvoll vor ihren leeren Tellern sitzt, die Tür plötzlich aufschwingt – und herein geschwebt kommen Birgit und Simone, Liselotte und Bärbel, Sonja und Karola, Sandra und Anja, Janita und Ursula, Manuela und Vanessa – und sie tragen, genau wie sie es jetzt gerade tun – verheißungsvoll gefüllte Schüsseln randvoll kulinarischer Köstlichkeiten vor sich her: Apfel-Curry-Suppe, Birnen-Käse-Quiche, Lachs mit Mangosoße, Möhren in Marsala. Das Bukett kühner Kochkünste erfüllt die Weihnachtsstube. „Stopp“, rufe ich in Gedanken, „mehr passt ja gar nicht auf den Tisch – stellt das Dessert im Nebenzimmer ab.“ Ein Traum. Ich weiß. Seufz.

Wellness-Tag am Küchenherd

Tatsache – jedenfalls in meinem Fall – ist, dass für den „Festlichen Schmaus“, den Jutta Gerling sich ausgedacht hat, mehr als zwei Hände – zumal von meinem defizitären Geschick – nötig sind. Im Team allerdings läuft das Küchen-Prozedere wie am Schnürchen und ohne den geringsten Anflug von Hektik ab. Für die meisten Teilnehmerinnen ist es ohnehin nicht der erste Kochkurs, den sie bei der staatlich geprüften Diätassistentin aus Mettingen belegt haben: „Wenn das neue VHS-Programm rauskommt, sind wir immer die ersten auf der Liste“, lassen Anja und Sandra keinen Zweifel an der Wichtigkeit dieses Termins für ihre persönliche Jahresplanung. Was macht den Unterricht von Jutta Gerling so besonders? „Die Rezepte sind toll ausgewählt, sehr gut beschrieben und leicht nachzukochen“, fasst Sonja – ebenfalls Stammgast – zusammen. „Außerdem ist die Stimmung hier herrlich entspannt.“ „Also für mich ist so ein Abend immer wie ein kleiner Wellness-Tag“, fügt Karola schwärmend hinzu.

Schnippeln, Abmessen und Verrühren

Jeweils zu zweit sind die Freizeitköchinnen für einen Gang des geplanten Festschmauses zuständig. Eben hat die „kalte Phase“ des Zubereitens begonnen: das Schnippeln, Abmessen und Verrühren der Zutaten. Während Vanessa mit viel Fingerspitzengefühl den Mürbeteig für die Quiche in die Backform knetet, Janita und Ursula auf ihrer Arbeitsfläche Berge von Lauchscheiben anhäufen und Anja voller Enthusiasmus die Kekse für die Nachspeise mit dem Nudelholz zerbröselt, sind Simone und Birgit schon in die „heiße Phase“ der Produktion eingestiegen und beugen sich gespannt über ihre Bratpfanne: Unter sich bedrohlich auftürmenden Dampfschwaden brutzelt zischend das Roastbeef fürs Boeuf Stroganoff: „Jutta – machen wir das so richtig?“ Die Herbeigerufene wirft einen Blick durch den Küchen-Nebel und nickt zufrieden: „Sieht sehr gut aus“, sagt sie.

„Nicht alles auf einmal“

Und schmeckt auch fantastisch. Jeder einzelne Gang. „Wir kochen das auf jeden Fall alles nach“, beschließen Manuela und Vanessa, als sie mit den anderen an der festlich gedeckten Tafel im Nebenzimmer der Schulküche Platz nehmen: „Aber: nicht alles auf einmal.“ Das Zubereiten des Gerling’schen Sechs-Gänge-Menüs auf sechs Tage zu verteilen, anstatt es an nur einem Abend zu servieren, dürfte eine weise Entscheidung sein: stressreduziert, appetitanregend – und: das sich in weihnachtlichen Zeiten ohnehin oft dramatisch wölbende Ränzlein schonend.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 16.12. 2015)