An die Euter – fertig – los!

Alles richtig gemacht? Prüfer Jürgen Oelgeschläger ist mit der Arbeit von Kandidatin Kerstin Michaelski bestens zufrieden. Foto: Ulrike Havermeyer Kuh1b Kuh5b Alles richtig gemacht? Prüfer Jürgen Oelgeschläger ist mit der Arbeit von Kandidatin Kerstin Michaelski bestens zufrieden. Foto: Ulrike Havermeyer
Alles richtig gemacht? Prüfer Jürgen Oelgeschläger ist mit der Arbeit von Kandidatin Kerstin Michaelski bestens zufrieden. Foto: Ulrike Havermeyer

Hanno Große-Endebrock aus Bramsche hatte nicht nur die geschicktesten Hände, sondern auch den größten Überblick: Der landwirtschaftliche Auszubildende gewann jetzt den Bezirks-Melkwettbewerb in Neuenkirchen-Vörden und wird demnächst mit dem Zweitplatzierten Paul Helling aus Bohmte am Landesentscheid teilnehmen. 

Egal, ob aus der gläsernen Mehrwegflasche oder aus dem schlichten Tetrapack: So eine leckere Portion Milch ist schnell eingeschenkt – und noch schneller aufgetrunken. Mit welcher Mühe das flüssige Lebensmittel jedoch zuvor aus dem Kuheuter heraus gekitzelt worden ist, wissen oft nur die Experten – und diejenigen, die es werden wollen: 30 angehende Landwirte haben jetzt beim Bezirksentscheid des Melkwettbewerbs der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft auf dem Hof von Tanja und Georg Gross-Klussmann in Neuenkirchen-Vörden gezeigt, dass die fachgerechte „Melkarbeit“ nicht nur aus solidem Handwerk und filigraner Fingerkunst besteht, sondern manchmal auch eine recht kniffelige Herausforderung sein kann.

„Oha – ein Side-by-Side-Melkstand“

Wettkampfkuh Nummer 49 hört auf den Namen Edeltime und lässt sich von Johannes Gebken aus Sondermühlen bei Melle bereitwillig ihre Milch abnehmen. Foto: Ulrike Havermeyer
Wettkampfkuh Nummer 49 „Edeltime“ lässt sich von Johannes Gebken bereitwillig ihre Milch abnehmen. Foto: Ulrike Havermeyer
Erst mal ganz ruhig bleiben und sich orientieren. Was beim Betreten des imposanten „Doppel-Zwanziger-Melkstands“ von Georg Gross-Klussmann gar nicht so einfach ist: Bunt blinkende Anzeigedisplays, jede Menge Schläuche und blitzender Edelstahl – und, stimmt ja überhaupt: Ein paar Kühe sind auch schon eingetrudelt. „Oha – ein Side-by-Side-Melkstand“, raunt ein Kandidat beim Anblick der modernen Anlage leicht angespannt seinem Kollegen zu: „In so einem habe ich noch nie gemolken.“ „Side-by-Side bedeutet, dass die Tiere beim Melken parallel nebeneinander stehen“, erläutert Prüfer Detlef Ellersiek von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, „sodass der Melker beim Anlegen des Melkzeugs von hinten durch die Hinterbeine der Kuh greifen muss.“ Dagegen stehen die Tiere im „Fischgräten-Melkstand“ seitlich versetzt nebeneinander – und ihre Euter werden von der Seite aus bedient.
Eine Minute für die Milch
„Was ich von euch auf keinen Fall sehen will, ist Zitzenbecherweitwurf“, wirft Ellersiek einen strengen Blick in die Runde. Der Kuheuter ist ein empfindliches Organ und darf nur mit entsprechendem Feingefühl behandelt werden. Sonst leidet nicht nur das Tier, sondern auch die Milchqualität. Also von wegen: Ran an die Euter, fertig, los! Melken ist ein komplexer Vorgang, bei dem diverse Details beachtet werden müssen. Während sich die ersten Aspiranten die Handschuhe überstreifen und ihren jeweils vier Wettkampfkühen von der Melkgrube aus vorsichtig die Beine tätscheln, sichten die Richter den Bewertungsbogen und überprüfen die Stoppuhren: Denn von der ersten Berührung des Euters bis zum Anlegen des Melkzeugs sollte ziemlich genau eine Minute vergehen – so lange braucht die Milch, um einzuschießen. Bauer Georg Gross-Klussmann verfolgt das Spektakel auf seinem Betrieb mit gelassenem Schmunzeln. Als junger Mann habe er selbst einmal am Bezirks-Melkwettbewerb teilgenommen, erzählt er. Prüfer Detlef Ellersiek erinnert sich lebhaft: „Richtig – du hast damals gewonnen, stimmt‘s?“

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 17.12. 2015)