Die Unerträgliche Leichtigkeit des Steins

Auf der Suche nach der perfekten Form: Beim plastischen Arbeiten fließt Angela Große die Kreativität förmlich aus den Händen. Foto: Ulrike Havermeyer
Auf der Suche nach der perfekten Form: Beim plastischen Arbeiten fließt Angela Große die Kreativität förmlich aus den Händen. Foto: Ulrike Havermeyer

Ab und zu hat Angela Große einen Stein im Kopf. Dann verschwindet die Welt um sie herum, und ihre Gedanken konzentrieren sich auf nichts anderes als auf diesen unförmigen Brocken – auf der Suche nach der perfekten Form. Angela Große ist Bildhauerin.

Von Haselünne bis Hooksiel

Seit 32 Jahren lebt die gebürtige Düsseldorferin in der Gemeinde Hilter. Ihr Studium der Kunst und Kunstgeschichte absolvierte Angela Große in den 1990er Jahren an der Universität Osnabrück. Danach etablierte sie sich als selbständige Bildhauerin in der Hasestadt. Inzwischen hat die 56-Jährige ihr Atelier in ihre Wahlheimat Hilter verlegt. Ihre Skulpturen aus Bronze, Gips und Sandstein sind mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem ersten Preis beim Skulpturenwettbewerb der Stadt Halle (Westfalen) um ein Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Viele ihrer Kunstwerke bereichern nicht nur das Osnabrücker Land, sondern sind auch im öffentlichen Raum von Haselünnel bis Hooksiel zu finden oder werden in Ausstellungen von Osnabrück über Hannover bis nach Wien gezeigt.

Der Schlüssel liegt im Ton

„Kunst zu schaffen ist mir ein inneres Bedürfnis“, sagt die bei Hannover aufgewachsene Naturliebhaberin. Doch genau genommen begann ihre Karriere mit einem Umweg: „Als ich Mitte zwanzig war“, erzählt sie, „habe ich es zunächst mit der Malerei versucht.“ Doch dabei habe sie schnell feststellen müssen, dass diese Art von Kunst nicht das Richtige für sie war: „Der Blick auf die weiße Leinwand hat mich gehemmt.“ Stattdessen entdeckte sie den Schlüssel zu ihrer Berufung in einem Klumpen Ton. Das war noch vor ihrem Studium. „Bei diesem plastischen Arbeiten habe ich gleich gespürt, wie mir die Kreativität förmlich aus den Händen geflossen ist“, erinnert sie sich. Doch eines war ihr schon bei der ersten Begegnung mit dem formbaren Material klar: Angela Große wollte keine Freizeit-Töpferin sein, sondern sich ernsthaft und erschöpfend mit der gesamten Bandbreite dieser Ausdrucksform auseinandersetzen.

Hunger nach Input

„Ich hatte einen Riesenhunger nach Input“, beschreibt sie ihre Motivation. Was also lag näher als ein Hochschulstudium, das theoretische Hintergründe, technische Möglichkeiten und praktische Herausforderungen vermittelte? Und außerdem ein weiteres prägendes Erlebnis für die ehrgeizige Studentin bereithielt: „Ich werde nie vergessen, wie ich in einem der Seminare meine erste Sandsteinskulptur gestaltet habe.“ Angela Große tritt ans Fenster und deutet auf eine verwunschene Ecke ihres Gartens: Dort kauert er noch immer unter einem Busch, der inzwischen leicht bemooste „Hockende“.

Ein nicht eben stiller Dialog

„Vom Gegenständlichen kommend habe ich mich seitdem immer weiter zum Abstrakten bewegt“, erläutert die Bildhauerin. Während sie das Material Gips hauptsächlich für erste Entwürfe, mit Holz oder Metall kombinierte Crossover-Arbeiten und private Innenraumprojekte verwendet, bestehen ihre größeren Skulpturen vornehmlich aus Sandstein oder Anröchter Dolomit. Mit Fäustel, Klüpfel, Zahn-, Spitz- oder Flacheisen, die Schutzbrille auf der Nase, tritt sie dann in einen – meistens gar nicht so leisen – Dialog mit dem Stein ein. „Das ist immer wieder ein spannender Prozess“, beschreibt Angela Große ihre ewige Suche nach der perfekten Form. Denn ganz egal, ob sie gerade ihre eigenen Gedanken in Stein meißelt, an einem vorgegebenen Thema für einen Wettbewerb arbeitet oder den konkreten Auftrag eines Kunden umsetzt – wie sich die perfekte Form am Ende gestaltet, ist bei jeder ihrer Arbeiten vor allem eines: einzigartig. Wer sich für das Werk von Angela Große interessiert, kann sich unter www.angela-grosse.de einen ersten Eindruck verschaffen.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung: 12.04.2016)