Bekenntnisse eines Voltlager Spitzbuben

„Mensch, Kalle – du schneidest Haare wie ein Busfahrer, und du fährst Bus wie ein Friseur!“ Foto: Ulrike Havermeyer

Ein bunter Hund? Ein Tausendsassa? Auf jeden Fall ist Karl-Heinz Niehaus ein über die Voltlager Grenzen hinaus bekanntes Unikat. Ein echtes Original eben. Einer, ohne dessen Engagement dem dörflichen Leben wohl eine entscheidende Zutat fehlen würde.

„Mensch, Kalle – du schneidest Haare wie ein Busfahrer, und du fährst Bus wie ein Friseur!“ Der Ruheständler lacht laut auf. Mit diesem Spruch habe ihn mal ein Grundschüler konfrontiert, erzählt Karl-Heinz Niehaus. Damals, als er noch täglich die Mädchen und Jungen aus Voltlage und Umgebung zum Unterricht chauffierte. „Der ist heute auch schon erwachsen“, bemerkt der 70-Jährige mit einem Schmunzeln. Krumm genommen hat er es dem Steppke nicht. Im Gegenteil: „Das hat mir immer viel Spaß gemacht, mich mit den Kindern zu unterhalten“, sagt Niehaus, der gelernter Busfahrer und Inhaber eines Frisiersalons in Personalunion ist.

An die vielen lustigen, interessanten und überhaupt sehr schönen Begegnungen und Gespräche erinnere er sich gern zurück. „Natürlich habe ich auch den einen oder andern Spitzbuben kennengelernt“, sagt Niehaus und runzelt nachdenklich die Stirn. Und dem habe er dann auch durchaus mal den Kopf gewaschen – und zwar nicht in seinem Frisiersalon. „Ich bin nun mal ein Gerechtigkeitskrämer“, stellt er fest und nickt. Aber wer den gebürtigen Schlickelder kennt, weiß, dass Niehaus sowohl das Busfahren als auch die Gerechtigkeitskrämerei und erst recht das Kopfwaschen stets mit dem nötigen Fingerspitzengefühl betrieben hat.

Ein Stück der eigenen Vergangenheit: Karl-Heinz Niehaus in der Kulisse eines Frisiersalons im Voltlager Heimatmuseum.

Mit der gleichen Akribie verfolgt er eine weitere Leidenschaft: das Eintauchen in die Vergangenheit seiner Generation. Die Schätze, die Karl-Heinz Niehaus bei seinen Ausflügen zu betagten Landwirten und ehemaligen Handwerkern, in aufgegebenen Werkstätten und abbruchreifen Scheunen aufstöbert, sind im Museum des Heimatvereins in Höckel zu bestaunen. Niehaus und seine rührigen Vereinskollegen haben es Ende der 1990er Jahre eingerichtet, 2001 eröffnet und sich zur Aufgabe gemacht, die regionalen Lebenswelten vergangener Tage zu archivieren und anschaulich darzustellen.

Ohne das Zutun der Ehrenamtlichen würden die Geschichten, die sich um jedes der Exponate ranken, wohl in Vergessenheit geraten. Vom Beichtstuhl bis zur Schusterwerkstatt, von der Schulbank bis zum Webstuhl – die liebevoll gestaltete Ausstellung ist einen ausgiebigen Besuch allemal wert. Und natürlich, bemerkt Niehaus mit einem Augenzwinkern, gibt es auch einen alten Frisiersalon zu sehen – von damals, als noch jeder Lockenwickler, den die dauerwellenwilligen Kundinnen im Haar trugen, einzeln beheizt wurde.

Woher kommt das Interesse an der Vergangenheit? Karl-Heinz Niehaus lächelt. „Das ist ja für mich auch ein Stück meiner eigenen Kindheit“, gibt er zu bedenken. Das Lächeln auf seinem Gesicht breitet sich aus – und die Erinnerungen sprudeln aus ihm heraus: Geschichten von früher, wie er als kleiner Junge auf dem Hof seines Großvaters Theodor die Pferde anspannen durfte. Geschichten vom Kartoffelsuchen und von der Heuernte. Von den ersten Traktoren und – „Darf man das überhaupt erzählen?“ – davon, wie er mit seinem Kumpel hoch in die Bäume geklettert ist, um Vogelnester auszunehmen und sich von der verbotenen Ausbeute eine stattliche Eiersammlung anlegte. „Tja“, überlegt Karl-Heinz Niehaus und guckt halb verlegen und halb amüsiert, „da muss ich wohl zugeben, dass auch ich in meiner Kindheit ein kleiner Spitzbube war.“

(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, April 2016)