In der Tortenzauberei oder: Gut Einhorn will Weile haben

Kreativität ist keine Zauberei: Neben Inspiration gehört jede Menge solides Handwerk zum Beruf von Konditormeisterin Lena Liere. Fotos (9): Ulrike Havermeyer

Einhörner sind echte Kalorienbomben. Auch kleine, pummelige Pandabären erweisen sich beim Verzehr als eher mächtig. Selten bin ich so verführerisch verpackten Nährwerten begegnet wie in der Backstube von Konditormeisterin Lena Liere.

Die drolligen Knirpse aus süßem Fondant sind auf liebevoll gestalteten Motivtorten zuhause, die die vielfach preisgekrönte Zuckerbäckerin aus Badbergen für ihre Kunden je nach Wunsch und Geschmack aus erlesenen Zutaten zaubert. Oder sie weist in mehrstündigen Workshops und Schnupperkursen willige Zauberlehrlinge – jedweden Alters und Geschlechts – in die Kunst des Konditorhandwerks ein.

Zuckersüßes, aber recht eigenwilliges Fabeltier: Bis Wiebke Hartke ihr Einhorn gezähmt hat, ist ein gutes Stündchen vergangen.

Mit zuversichtlicher Unwissenheit

An diesem Nachmittag versuchen Wiebke Hartke, Maren Bergmann und ich unser Glück. Während sich Maren Bergmann als leidenschaftliche und versierte Hobbybäckerin zu erkennen gibt, die auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist, gehen Wiebke Hartke und ich das Wagnis rund um Springform und Spritzbeutel mit einer Mischung aus zuversichtlicher Unwissenheit und das Abenteuer nicht scheuender Verwegenheit an. Die junge Mutter aus Menslage will sich für die Zeit der Kindergeburtstage wappnen. Zwar ist ihre Tochter Lia erst 14 Monate jung – aber gut Einhorn will Weile haben…

Aus eins mach vier!

Damit wir angehenden Tortenzauberer uns sofort ans Werk begeben können, hat Lena Liere die Biskuitböden als Basis für die späteren Prachtstücke bereits am Vorabend abgebacken – turmhoch und goldgelb. Die Handschrift der wahren Könnerin ist an jedem Krümelchen abzulesen. „Schneiden müsst ihr die jetzt aber selber“, hält die Chefin uns ein langes Messer hin. Mit der einen Hand den Kuchen drehen, mit der anderen sägen, weist sie uns an. Klappt! Was mir zuhause noch nie gelungen ist, funktioniert dank Expertinnen-Tipp auf Anhieb: aus eins mach vier!

Im Drehen und Sägen liegt das Geheimnis.
Frische Erd- und Heidelbeeren als Füllung.

Auch die Buttercreme wartet schon fix und fertig und in beneidenswert zarter Konsistenz auf ihren Einsatz – allein der Anblick der samtig zarten Masse lässt uns Amateuren die Kinnlade herunterklappen. „Wie hast du die gemacht?“, stammelt Maren Bergmann mit mehr als einer Prise ehrfürchtiger Bewunderung. Lena Liere schmunzel und lüftet bereitwillig weitere Geheimnisse rund um Rührgeschwindigkeiten und Temperaturkurven.

Eine Phalanx aus bunten Deko-Zutaten steht in der Backstube von Lena Liere bereit.

Wie es euch gefällt…!

Weiter geht’s: „Was die Füllung betrifft, dürft ihr jetzt selber kreativ werden – kombiniert einfach alles, wie es euch gefällt“, deutet Lena Liere auf die Phalanx aus Zutaten und Accessoires: Die reichen von frischen Erd- und Heidelbeeren über diverse Schokoladensorten bis hin zu Keksen, Karamell und Kokosflocken.

Gemeinsam werkeln macht Spaß

Je mehr wir schnippeln und bröseln, dekorieren und ausprobieren, umso vergnügter wird die Stimmung. Gemeinsam in der Backstube herum zu wuseln, macht einfach nur Spaß – stärkt ganz nebenbei das Vertrauen in die eigene Fingerfertigkeit und bringt eben noch Fremde einander nah! Wir blicken uns gegenseitig über die Schulter, lassen uns von den Experimenten der anderen inspirieren und genießen das familiäre Flair in der schnuckeligen Zauberwerkstatt.

Vielschichtiger Biskuit-Rohling.
Maren Bergmann sorgt für fruchtige Füllung.

 

 

 

Sobald wir unsere mit Leckereien gespickten und mit Buttercreme verstrichenen Rohlinge zum Zwischenlagern im Kühlschrank verstaut haben, nähern wir uns unweigerlich dem kreativen Höhepunkt des Workshops: Manege frei für Pandabären und Fondanthörner! Doch kreative Zauberkunst hin, zauberhafte Kreationen her – an dieser Stelle hilft kein flehentlich gehauchtes Abrakadabra. Wer aus bunten Zuckerklumpen in allen Farben des Regenbogens filigrane Garnituren gestalten will, braucht Fantasie, handwerkliches Geschick und jede Menge Geduld. Also genau das, was für Lena Liere das Herzstück ihres Berufes ausmacht: „Immer wieder etwas Neues zu erschaffen, das ist eine wunderbare Aufgabe, die mich nach wie vor begeistert, und bei der es mir niemals langweilig wird“, beschreibt sie die Faszination für ihr Handwerk.                                                                                                                 

Aus buntem Fondant wird die Garnitur gefertigt – zum Beispiel ausgestochene Regenbogenherzchen.

Was die Meisterin zum Schwärmen bringt, treibt den Schülern allerdings erst einmal den Schweiß auf die Stirn. Es bedarf einiger Worte des Trostes und der Aufmunterung von Lena Liere, bis es uns Zauberlehrlingen langsam und allmählich gelingt, aus der amorphen Masse zunächst eher wackelige, aber dann schließlich doch immer sicherer auf ihren Beinen stehende Gestalten zu formen. Während Wiebke Hartke mit hingebungsvoller Ausdauer ihr Einhorn zähmt, manikürt Marlen Bergmann ihrem Panda die zierlichen Tatzen.

Den Panda in die Vitrine umsiedeln

Jetzt nur noch den Fondant für die Ummantelung ausrollen und mit beherztem Schwung über den Buttercremezylinder gleiten lassen. Die süße Hülle hier ein wenig zurecht zupfen, dort ein wenig plätten und behutsam andrücken, bevor sich – ein Tusch vibriert durch die Backstube – Einhorn und Panda auf den paradiesisch verzierten Plattformen niederlassen. Lena Liere nickt uns anerkennend zu: „Gut gemacht!“ stellt sie ihren Zauberlehrlingen ein ermutigendes Zeugnis aus – und gibt uns einen letzten Hinweis mit auf den Weg: Wer es nicht übers Herz bringt, Einhorn und Panda zu vernaschen, der kann die süßen Fratze auch in die häusliche Vitrine umsiedeln. „Wenn der Fondant erst getrocknet ist, hält er sich nämlich über Jahre.“ Wiebke Hartke scheint ein Stein vom Herzen zu fallen – die Geburtstage ihrer kleinen Tochter dürften somit langfristig gesichert sein.

Prüfung bestanden: Die Zauberlehrlinge Maren Bergmann und Wiebke Hartke mit Meisterin Lena Liere.

Wer mehr über die süßen Kreationen von Lena Liere erfahren möchte, kann sich auf ihrer Homepage www.lenas-tortenzauber.de informieren. Dort findet sich auch eine Übersicht sämtlicher Workshops – von Motivtorten über Cupcakes bis zu Modellierkursen für Anfänger und Fortgeschrittene – die interessierte Zauberlehrlinge je nach Terminwunsch individuell vereinbaren können.

(Erschienen 2018 unter blog.osnabruecker-land.de)