Ein Schnipselchen Lüneburger Heide im Osnabrücker Land

Ein beschauliches Fleckchen Erde bietet der Wacholderhain in Merzen den Besuchern – zum Erholen und zum Erleben. Fotos (5): Ulrike Havermeyer

Der erste Eindruck: ein anrührender Ort, dessen Zauber man sich schwerlich entziehen kann. Sanft fügt sich die kleine, gerademal fünf Hektar große Heidefläche in die hügelige Landschaft der Ankumer Höhe ein. Und wirkt mit ihrem herben Charme und der kargen Vegetation wie ein Schnipselchen Lüneburger Heide, das es ins Osnabrücker Land verschlagen hat. Ich schließe meine Augen und genieße für einen Moment die Abgeschiedenheit und mit ihr die Stille, die sich über dem Wacholderhain in Merzen ausbreitet.

Karge Landschaft mit rauem Charme.

„Ist das etwa alles?“, fragt meine 15-jährige Tochter skeptisch und lässt ihren Blick über die beschauliche Ebene schweifen. Sie, unser Familienhund Sally und ich stehen am Rande des größten und am besten erhaltenen Gräberhügelfeldes in der Region – vor 3000 Jahren haben hier die Menschen aus der Bronzezeit die Asche ihrer Verstorbenen bestattet. Heute lädt der Wacholderhain in Merzen-Plaggenschale als Erlebnispfad des Natur- und Geoparks TERRA.vita nicht nur die Freunde kulturhistorischer Kostbarkeiten, sondern auch Erholungssuchende zum Durchschnaufen vom Alltag ein. Auf eher Tatendurstige wartet neben einem Netz unterschiedlicher Wander- und Radwanderwege, auf die man sich von hier aus begeben kann, außerdem ein aufwendig angelegter Barfußpark. Per Heid-O-Meter (www.geopark-terravita.de/de/heid-o-meter) können sich Besucher vor ihrem Ausflug im Spätsommer und Herbst online über den Stand der Heideblüte informieren.

Open-Air-Massage vom Feinsten

Während ich mich zunächst einmal wohlig seufzend auf der lustigen Schaukelbank niederlasse, die auf zwei derbe Stahlfedern montiert ist, hat sich meine Tochter längst aus ihren Schuhen und Socken befreit: „Los, komm Mama – ich denke wir wollen was erleben“, lässt sie keinen Zweifel an unserer touristischen Mission. Auch Sally signalisiert mit munterem Schwanzwedeln ihre Abenteuerbereitschaft. Na dann mal, frisch voran Richtung Barfußpark! Und so schiebe auch ich meine Sandalen in das eigens dafür vorgesehene Holzregal: Über raue Baumscheiben, kugelige Kiefernzapfen und abgerundete Steinmosaike tasten wir uns Meter für Meter auf blanken Sohlen und weichen Pfoten den Rundweg entlang: eine Open-Air-Fußreflexzonen-Massage vom Feinsten!

Belebende Outdoor-Fußmassage auf dem Barfußparcours.

Wenn das markante Geläuf mich zu sehr zwackt – das Schotterbett piekst heftiger als ich dachte – lehne ich mich gegen das hölzerne Geländer, lege eine Pause ein und betrachte die Szenerie: die bizarr geformten Wacholderbüsche, die urigen Kiefern – und dazwischen die zarten Polster der Heide. Hier und da krabbelt geschäftig eine Spinne durch den Altweibersommer. Ob wohl schon die Menschen der Bronzezeit der besonderen Faszination dieses Fleckchens Erde erlegen sind? Ob sie ihren Verstorbenen deshalb genau hier einen Platz für die Ewigkeit eingerichtet haben?

Beschaulicher Ort voller Überraschungen

Meine Tochter, die den Parcours natürlich längst beendet hat und interessiert vor einer der Hinweistafeln steht, reißt mich aus meinen Gedanken: „Das hier wäre sicher auch was für Papa“, deutet sie auf den Erklärtext über verschiedene bäuerliche Wirtschaftsweisen aus der Vergangenheit. „Der interessiert sich doch so für Geschichte.“Nachdem wir unsere Füße unter der kühlen Dusche, die sich – beide Hände zu einer Schale geformt – auch bestens als Hundetränke eignet, abgebraust und erfrischt haben, erkunden wir die weitere Umgebung – von einem ganzheitlichen Prickeln angenehm erfüllt. Auf dem Weg über den frisch eingerichteten, rund sieben Kilometer langen TERRA.track zum neu angelegten TERRA.vista-Aussichtspunkt, von dem man bis nach Ibbenbüren blicken kann, begegnen wir außer etlichen Wanderern auch immer wieder dynamisch an den Sandgruben entlang preschenden Mountainbikern. Nicht nur mehrere örtliche, sondern auch überregionale Routen wie der Ems-Hase-Hunte-Else-Weg (170 Kilometer) oder der Bersenbrücker-Land-Weg (300 Kilometer) verlaufen ganz in der Nähe.

Wer den Wacholderhain mit allen Sinnen erkunden will, sollte sich seiner Schuhe entledigen.

Als wir schließlich wieder an unserem Ausgangspunkt, dem Wacholderhain, eintreffen und uns erschöpft auf – beziehungsweise in Sallys Fall: unter – eine der Bänke fallen lassen, stiefelt ein etwas ratlos wirkender Passant auf uns zu. Ob das hier etwa alles sei, will er von uns wissen. Mit einem nachsichtigen Lächeln blicken meine Tochter, unser Hund und ich auf die beschuhten Füße des ahnungslosen Spaziergängers: „Noch lange nicht“, versichern wir ihm und wackeln fröhlich mit unseren Zehen, „noch lange nicht!“

Weitere Tipps:

Alles Wichtige zum Wacholderhain erfahren Interessierte online unter www.geopark-terravita.de/de/standort_1465284256/barfu-und-infopfad-wacholderhain-merzen-plaggenschale, telefonisch unter 0541/5014217 beim Natur- und Geopark TERRA.vita oder beim Tourismusverband Osnabrücker Land unter Telefon 0541/3234570.

Im nicht weit vom Wacholderhain entfernten Gasthof Gerbus, Hauptstr. 68, Merzen, können sich Familien und Gruppen nach telefonischer Absprache einen Bollerwagen ausleihen. Auf Wunsch gibt es den entsprechenden Proviant für ein zünftiges Picknick gleich mit dazu. Weitere Infos beim Gasthof Gerbus unter Telefon 05466/329.

Malerischer Ort zum Innehalten: der Wacholderhain in Merzen.

Unter www.magischeorte.eu findet sich im Rahmen des Projekts „Raum. Zeit. Mensch. Landschaft entdecken“ eine 28 Kilometer lange Radrundtour der Stadt- und Kreisarchäologie, die von Ankum aus unter anderem zum Wacholderhain nach Merzen-Plaggenschale führt. Die Tour ist auch als App verfügbar.

(Erschienen 10/2018 unter https://www.osnabruecker-land.de/blog/)