Den Rasen der Aachener Soers unter den Hufen

Pas de deux: Sir Ludwig und seine Reiterin Frauke Georgensohn (linkes Paar) präsentieren sich im Schauprogramm vor internationalem Publikum. Fotos (3): Ulrike Havermeyer

Sie kennen es einfach nicht, die Pferde. Dieses kribbelige, prickelnde Gefühl, das einem den Rücken rauf und runter läuft: angenehm und gruselig zugleich. Nein – Pferde bekommen keine Gänsehaut.  Sir Ludwig, der schmucke Barockpinto-Hengst aus Bissendorf, absolviert seinen Auftritt beim „Weltfest des Pferdesports“ auf dem berühmten grünen Rasen der noch berühmteren Aachener Soers denn auch mit temperamentvoller Lässigkeit.

Seiner Reiterin Frauke Georgensohn geht das Ganze dagegen mächtig unter die Haut: Dass sie und ihr prächtiger Vierbeiner beim CHIO in Aachen im Showprogramm „Barockpferde“ starten dürfen, ringt ihr Respekt ab. Kein Wunder – die Kulisse ist überwältigend: Allein das Hauptstadion, in dem das Paar seine Ehrenrunde dreht, fasst an die 40.000 pferdebegeisterte Zuschauer.

Eine Frage der Ehre

Seit 1927 richtet der „Aachen-Laurensberger Rennverein“ sein internationales Reitturnier aus, das neben einer einzigartigen Tradition – jedes Land darf laut Reglement der Internationalen Reiterlichen Vereinigung nur einen CHIO austragen – auch ein global anerkanntes Renommee genießt. Wer in der Pferdewelt etwas auf sich hält, pilgert allsommerlich in die Soers. In diesem Jahr nahmen 533 Pferde und 375 Reiter, Fahrer und Voltigierer aus 30 Nationen an dem Spektakel teil, bei dem ein Preisgeld von insgesamt 2,7 Millionen Euro an die erfolgreichen Starter verteilt wurde. Kurzum: Pferdesport der Superlative. Und mittendrin: Sir Ludwig. Nicht als Wettkämpfer, sondern als mustergültiges Schönheitsexempel seiner Rasse. Für den markant gescheckten Hengst und seine Reiterin geht es also in Aachen nicht um schnöden Mammon, sondern einzig um die Ehre.

Gänsehaut-Feeling, zumindest für Reiterin Frauke Georgensohn: 40.000 Augenpaare richten sich auf die beiden Bissendorfer.

Liebe auf den ersten Blick

Die Vita von Sir Ludwig? Der Hengst kam im Mai 2008 als Sohn einer Polnischen-Trakehner-Stute und eines Barockpinto-Hengstes zur Welt. Als er zwei Tage alt war, erblickte Frauke Georgensohn den kleinen Kerl und dachte sich: „Das ist mein Pferd.“ Liebe auf den ersten Blick. Einige Monate später wechselte er in den Besitz der Bissendorferin, die ihn daraufhin auf Zuchtschauen präsentierte und reiterlich ausbildete. 2011 wurde er vom Europäischen Scheckenzuchtverband gekört, zum Prämienhengst ausgezeichnet und ein Jahr später vom „Zuchtverband Spezialrassen und Sonderfarben Europa“ übernommen. „Zum ‚Prämienhengst‘ wird ein Tier, wenn es außergewöhnlich gut beurteilt wird, was zum Beispiel die Korrektheit seines Körperbaus, seiner Bewegungen und seines Takts in den einzelnen Gangarten betrifft“, erläutert Frauke Georgensohn.

Sir Ludwig trumpft beim Casting

Bisher hat Sir Ludwig acht Nachkommen gezeugt. Seine Besonderheit? „Er ist einer der wenigen reinerbigen Barockpinto-Hengste in Deutschland“, sagt seine Besitzerin: „Das bedeutet, dass wir eine hundertprozentige Garantie auf Scheckung geben: Alle Fohlen von ihm sind entweder braun- oder schwarz-gescheckt.“ Und: Alle acht Fohlen, berichtet Frauke Georgensohn stolz, seien auf den Zuchtschauen, auf denen sie vorgestellt wurden, mit „Gold“ prämiert worden. Ein derart tadelloser Vererber und ausdrucksvoller Typ darf beim Aachener Barocktag nicht fehlen, dachte sich wohl auch das Gestüt „Caballos de la Luz“ aus Mühlheim, das das Programm für die große Zuchtschau beim CHIO mit organisiert und via Internet-Casting die passenden Rasse-Repräsentanten gesucht hat – und engagierte das Paar aus dem Osnabrücker Land für die Show.

Den grünen Rasen der Soers unter den Hufen

Schöner geht’s nicht: Sir Ludwig wird als mustergültiges Exemplar seiner rasse ausgezeichnet.

Und da ist es nun – das „Team Sir Ludwig“. Neben Frauke Georgensohn sind Maike Sobian und Nicole Schwarz mit angereist, um sich um ihren Star des Tages zu kümmern. Aber nass geschwitzt im mehr als 35-Grad-Celsius-heißen Glutofen der Soers wirken die drei Damen deutlich angeschlagener als der auch in einer solchen Hitze konditionell nicht wankende Schecke. „Er ist einfach eine Rampensau“, schüttelt Frauke Georgensohn nach gelungenem Auftritt amüsiert den Kopf, wischt sich neuerlich den Schweiß von der Stirn und tätschelt ihrem Liebling das Fell. Während Maike Sobian den Schecken mit kaltem Wasser abreibt – „Der muss jetzt ganz langsam runter kühlen“ – hat Nicole Schwarz die Flasche Sekt aus dem Kofferraum geholt. Dass Sir Ludwig das „Weltfest des Pferdesports“ als Schönster seiner Rasse nicht ohne Siegerschärpe verlassen würde, überrascht die Damen aus dem Osnabrücker Land nicht wirklich. Aber dass ihr Vierbeiner nun auch den grünen Rasen der Aachener Soers unter seinen Hufen gespürt hat, das ist ihnen schon ein besonderes Schlückchen wert.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 20.07.2014)