Leute, die in Töpfe starren – oder: Bier selber brauen

In einen innigen Dialog mit der Maische begibt sich mein Mann im VHS-Kurs „Leckeres Bier selber brauen“. Fotos (5): Ulrike Havermeyer

Mein Mann und ich haben uns zu alkoholischen Experimenten hinreißen lassen und unser Zuhause zimmerweise in ein Gärlabor verwandelt. Der Auslöser für dieses ambitionierte Amateurentum war der VHS-Kurs „Leckeres Bier selber brauen“, dem wir nicht widerstehen konnten.

Zurzeit herrscht Ruhe in unserer kleinen Privatbrauerei. Wie bestellt und nicht abgeholt wirken die beiden zugedeckelten Zehn-Liter-Eimer, die in einer Ecke unserer Küche stehen, und in die wir vor nur wenigen Tagen unter Anleitung von Christian Schäfer und Björn Heemann eine verheißungsvoll duftende, bräunliche Brühe abgefüllt haben. Diesen von Fachleuten als Würze bezeichneten Sud haben wir zuvor mit leidenschaftlichem Einsatz und noch mehr Geduld in der Küche der Gesamtschule in Wersen gerührt, gesiebt, gekocht und gefiltert. Zuhause haben wir die Hefe zugegeben, die nun leise aber emsig ihrer Arbeit nachgeht. „Siehst du, wie es schäumt?“, beugt sich mein Mann mit einem breiten Grinsen über unser kleines Brau-Ensemble und verweilt noch – still in sich hineinlächelnd – ein meditatives Viertelstündchen vor den Plastikbottichen. Bierbrauen, soviel sei an dieser Stelle schon einmal festgehalten, kann glücklich machen.

Die Ernte eines langen Tages… in den Eimern sorgt die Hefe in den kommenden etwa vierzehn Tagen dafür, dass sich der Zucker in der Würze in Alkohol verwandelt.

Ob man auch als Laie aus Malz und Wasser, Hopfen und Hefe süffigen Gerstensaft zaubern kann, werden wir allerdings erst in etwa sechs Wochen wissen. Denn so lange dauert es, bis zunächst die Hefebakterien den Zucker zu Alkohol vergoren haben, anschließend genügend Kohlensäure für das perfekte Prickeln entstanden ist und sich schlussendlich das Aroma herausgebildet hat. Wenn in etwa vierzehn Tagen der Gärprozess beendet ist, werden wir unser Bier in – zuvor jeweils mit einem Teelöffel Zucker zur Bildung der Kohlensäure angereicherte – Bügelflaschen umfüllen, diese eine weitere Woche bei Zimmertemperatur und anschließend noch mindestens drei bis vier Wochen im kühlen Keller lagern.

Doch zu Beginn unseres Abenteuers in den brodelnden Kosmos des An-und Abmaischens, des Rastens und des Läuterns herrscht in den Eimern sämtlicher Braukursteilnehmer erst einmal noch trockene Leere. Christian Schäfer und Björn Heemann, die beiden Bierexperten aus Lengerich, die seit 2010 im Nebenerwerb die „Teutoburger Brauerei“ betreiben und seit zwei Jahren ihre Erfahrungen in den Kursen der Volkshochschule weitergeben, vermitteln zünftige Zuversicht: „Wir brauen heute mit euch ein Anfängerbier, bei dem nichts schiefgehen kann“, versichert Heemann. Und Schäfer ergänzt augenzwinkernd: „Bierbrauen ist nichts anderes als flüssiges Backen.“

Bierbrauen ist wie flüssiges Backen sagen Hobbybrauer und Brauereibetreiber im Nebenerwerb Björn Heemann (links) und Christian Schäfer.

Ein Blick aufs Rezept zeigt, dass die Liste der Zutaten übersichtlich ist und ganz dem Reinheitsgebot entspricht: Malz, Hopfen, Hefe und Wasser. Auch die benötigte Grundausstattung setzt sich aus Gerätschaften zusammen, die in den meisten Haushalten vorhanden sein dürften oder ansonsten nicht umständlich zu beschaffen oder gar selber zu bauen sind: ein elektrischer Einkochtopf, ein Läuterbottich mit Siebvorrichtung, lebensmittelechte Eimer mit Deckel und Gärröhrchen, dazu ein Litermaß sowie Rühr- und Schöpfkelle.

Brauen heißt: Warten können

Ganz der Familientradition verpflichtet, haben mein Mann und ich den alten Nahrath-Einkocher meiner Oma, Baujahr 1974 (der Kocher, nicht die Oma…), aus dem Keller geborgen, von Staub und Rost befreit – und sind gespannt, ob das betagte Schätzchen überhaupt noch in der Lage sein wird, die eingefüllten 16 Liter Wersener Leitungswasser plus neun Liter Nachguss auf die erforderliche Starttemperatur von 68 Grad zu erhitzen. Doch von Viertelstunde zu Viertelstunde, während wir wieder und wieder das Thermometer in die Flüssigkeit tunken, schwant uns immer deutlicher: Brauen heißt Warten können. Auch den anderen Teilnehmern – Gaby und Wolfgang Amelingmeyer aus Büren, Christian Herden aus Westerkappeln und weitere Nachwuchsbrauer aus Kattenvenne und Osnabrück – ergeht es nicht besser mit ihren modernen Automaten: Sie messen, sie schütteln ihre Köpfe, sie verlagern seufzend ihr Gewicht von einem Bein auf das andere: Leute, die in Töpfe starren. Ein besonders verwegener Teilnehmer greift entschlossen zum Tauchsieder.

Leute, die in Töpfe starren: Zum Bierbrauen gehört jede Menge Geduld, müssen die Kursteilnehmer lernen. Die Wartezeit lässt sich jedoch – schon rein fachlich betrachtet – durchaus sinnvoll vertreiben…

Unser Oldtimer ist zwar nicht der Schnellste, erweist sich jedoch als erfreulich robust: Zu fortgeschrittener Stunde und mit westfälischer Bedächtigkeit sorgt er schließlich doch noch dafür, dass sich das Malz bei konstanten 66 Grad mit dem Wasser zur Maische vermischt und sich dabei im Laufe von etwa 70 Minuten der Zucker aus dem Geschroteten löst. Schäfer und Heemann erklären uns danach, wie sich das Getreide („Treber“) im Läuterbottich von der Würze trennen lässt. Als nächster Schritt wird die Würze zurück in den Einkocher gefüllt und brodelt zusammen mit dem Hopfen weitere 60 Minuten bei 100 Grad – ohne Deckel! – vor sich hin. Durch die Dampfschwaden, die in der Wersener Schulküche herumwabern und dem Raum ein magisches Harry-Potter-Hogwarts-Flair verleihen, tasten sich die Teilnehmer neugierig von Topf zu Topf und stellen dabei zufrieden fest, dass das Gebräu der anderen sich ähnlich verhält wie das im eigenen Einkocher. „Eigentlich müssten wir uns alle in sechs Wochen zum Verkosten wiedertreffen“, regt Wolfgang Amelingmeyer schmunzelnd an.

Sich die Zeit sinnvoll vertreiben

Als habe er genau auf dieses Stichwort gewartet, schleppt Christian Schäfer eine munter klimpernde Kiste heran: Denn wie besser könnte man sich die Zeit des Siedens vertreiben, als das angestrebte Produkt – das er und sein Kollege in weiser Voraussicht und bereits hübsch abgefüllt aus eigenen Beständen mitgebracht haben – schon einmal exemplarisch zu probieren und sich dabei in anregenden Fachsimpeleien zu ergehen? Schließlich bleibt uns – wie könnte es anders sein – noch etliches an Zeit zu überbrücken, bevor wir die restlichen Schwebstoffe aus der Würze herausfiltern und das flüssige Gold am Ende des Brautages in die Gäreimer abfüllen können.

Aus dem Gärkesselchen geplaudert…

„Richtig spannend wird das Brauen“, plaudern die beiden Bierexperten aus dem Gärkesselchen, „wenn man genug Erfahrungen gesammelt hat, um mit den einzelnen Zutaten zu spielen.“ Geröstete Malzmischungen, Hopfensorten mit exklusiven Aromen, spezielle Bierhefen. Und natürlich lässt sich auch noch an den einzelnen Stellschrauben der verschiedenen Brauphasen drehen, sprich: die Wahl unterschiedlicher Temperaturstufen („Rasten“) sowie das Austarieren der Zeitpunkte, an denen die Zutaten zugefügt werden. Sicherlich könne man die Braukunst auch als Wissenschaft betreiben, sinnieren Schäfer und Heemann, aber vor allem gehe es doch um eines: um den Spaß – und zwar sowohl an der Arbeit als auch am Ergebnis.

 

Alles wird gut! Etwa sechs Wochen muss auch diseser ambitionierte Nachwuchsbrauer noch warten, bevor er sein flüssiges Gold verkosten kann.

Gesetzliche Vorgaben – Was der Hobbybrauer wissen sollte:

Außer über die unbedingt einzuhaltenden Hygienevorschriften sollten sich angehende Hobbybrauer auch über die gesetzlichen Vorgaben des Bierbrauens informieren. Jede Privatperson verfügt pro Jahr und Haushalt zwar über eine Freimenge von 200 Litern, bevor sich durch ihr Hobby für sie steuerliche Verpflichtungen ergeben (Biersteuergesetz). Dennoch ist es selbst bei der Herstellung schon geringer Biermengen erforderlich, die geplante Hobbyproduktion dem Hauptzollamt rechtzeitig mitzuteilen.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 27.03.2019)