Auf der Suche nach der eigenen Zukunft

Gemütlicher Plausch in der Küche: Hans erzählt Mara von seinen Abenteuern. Als Obdachloser ist er mit dem Fahrrad kreuz und quer in Europa unterwegs gewesen. Inzwischen ist er in Bersenbrück mit Unterstützung der Caritas sesshaft geworden. Foto: Ulrike Havermeyer

Dass  es im Leben nicht immer geradeaus geht, wissen die Obdachlosen, die Mara Tapken im Rahmen ihres Bundesfreiwilligendienstes betreut, nur allzu gut. Doch auch die 21-Jährige hat Erfahrungen mit biografischen Umwegen.

„Was ich hier bei der ambulanten Hilfe für Wohnungslose in Bersenbrück alles erlebt und gelernt habe, ist unbezahlbar“, stellt Mara Tapken mit entschiedenem Nicken fest. Als sie Hans, einem vielgereisten Ex-Obdachlosen, der gerade bei der Caritas in der Bürgermeister-Kreke-Straße 3 vorbeischaut, einen Tee anreicht und ihn in einen kleinen Plausch verwickelt, spürt man es ganz deutlich: Mara Tapken ist angekommen. Bei sich selbst – und auch auf einem passgenauen Weg in die eigene berufliche Zukunft. „Über die Begegnung mit obdachlosen Menschen habe ich meine soziale Ader entdeckt“, sagt sie. Anfang nächsten Monats beginnt sie eine Ausbildung zur Hebamme.

Durch einen Nebel aus Unsicherheit

Doch bevor sich dieses Ziel klar vor ihren Augen formte, musste sich die junge Frau aus Bramsche erst einmal durch einen Nebel aus vermeintlicher Gewissheit, unausgereifter Orientierung und falschen Entscheidungen kämpfen. Prägend seien dabei die Monate in der ambulanten Wohnungslosenhilfe der Caritas gewesen. „Ich habe in dieser Zeit gelernt, dass es jeden jederzeit treffen und aus der Bahn werfen kann“, sagt Tapken, „dass es mir in meinem Leben so gut geht, ist nicht selbstverständlich.“ Könnte sie noch einmal zurück auf Anfang, hätte sie den Bundesfreiwilligendienst wohl direkt nach dem Abitur angetreten, blickt sie zurück. Denn was der Not gehorchend als Plan B begann, hat sich nicht nur als bereichernde Suche, sondern als richtungsweisende Lösung entpuppt.

Das falsche Ziel im Blick

Unmittelbar nach der Schule war sie noch davon überzeugt, dass ein Studium der Rechtspflege an der Fachhochschule in Köln das Richtige für sie sei. „Aber schon im ersten Semester habe ich gemerkt, dass das gar nicht zu mir passt“, erinnert sie sich. Zu starr. Zu verkopft. Stattdessen ging ihr der Anblick der vielen wohnungslosen Menschen in der Rheinstadt nicht mehr aus dem Kopf. „Obdachlosigkeit ist in Köln allgegenwärtig“, berichtet Tapken, „die habe ich damals zum ersten Mal so richtig wahrgenommen – und gleichzeitig auch, wie viel Ignoranz da bei denen ist, denen es besser geht.“ Dass in einem reichen Land wie Deutschland Menschen auf der Straße leben und dass im Winter einige dieser Menschen sogar erfrieren – „das kann ich bis heute nicht begreifen.“

Richtige Entscheidungen erfordern Zeit

Mara Tapken schmiss ihr Studium. Die Rechtspflege, so viel stand fest, war nicht der richtige Weg für sie. Aber wie ließ sich ihr Bedürfnis, Menschen zu helfen, in eine berufliche Laufbahn gießen? Ein Studium der Sozialen Arbeit vielleicht? ,Ich muss mich erst einmal neu orientieren‘, habe sie damals beschlossen und sich beim Bistum Osnabrück für ein halbes Jahr als Bufdi beworben – „explizit mit der Bitte, mit wohnungslosen Menschen arbeiten zu dürfen.“ Zur Überbrückung der bis dahin verbleibenden Monate absolvierte sie zunächst noch ein mehrwöchiges Praktikum im Krankenhaus in Ibbenbüren – im Kreißsaal und auf der Wöchnerinnenstation. „Meine Mutter erzählt immer wieder, wie ich jeden Tag mit strahlenden Augen nach Hause gekommen bin.“

Über den eigenen Schatten springen

Mara Tapken seufzt und lächelt dann entspannt. Eine ganz schön lange Reise hat sie inzwischen hinter sich. „Die Zeit, die ich hier in der ambulanten Hilfe für Wohnungslose war, in der Krankenwohnung oder in der Sucht- und Schwangerenberatung, möchte ich auf keinen Fall missen“, betont sie, blickt ernst und ermuntert jeden, sich nach der Schule eine Auszeit zu nehmen, um sich über seine beruflichen Wünsche klar zu werden. Denn der Sprung über den eigenen Schatten, das Überwinden von Vorurteilen und die Erkenntnis, „wie schnell das gehen kann, auf der Straße zu landen und dass viele Obdachlose sehr freundliche, ordentliche und unglaublich dankbare Menschen sind“, habe nicht nur ihr eigenes Selbstbewusstsein gestärkt, sondern auch ihren Blick auf das Leben verändert.

Wer sich für eine Stelle im Freiwilligen- oder Kurzzeitfreiwilligendienst beim Bistum Osnabrück interessiert, kann Kontakt aufnehmen zu Jens Laumann, Telefon 0541 318 247. Informationen zur ambulanten Hilfe für Wohnungslose der Caritas in Bersenbrück gibt es unter Telefon 05439 94230 oder per E-Mail mdrochner@caritas-os.de.

(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 25.03.2019)