Ganz ohne Sherry und Mördersuche

Bridge ist wie Schach mit Karten: Georg Meyer (im Hintergrund) schaut interessiert zu, was Ingeborg und Bärbel, Helga und Gretel aus ihren jeweils 13 Karten machen.
Bridge ist wie Schach mit Karten: Georg Meyer (im Hintergrund) schaut interessiert zu, was Ingeborg und Bärbel, Helga und Gretel aus ihren jeweils 13 Karten machen.

Zugegeben – meine Vorstellungen über das Bridge-Spiel speisen sich aus englischen Kriminalfilmen, die noch in schwarz-weiß gedreht worden sind. Und so bin ich denn einigermaßen überrascht, als ich im Mettinger DRK-Heim auf lauter farbig gekleidete Kartenfreunde treffe. Statt Mördersuche bei Sherry und britischem Humor erwartet mich eine muntere Runde wissbegieriger Damen im besten Alter, die sich von Georg Meyer bei Kaffee und Keksen in die Kunst des altehrwürdigen Strategiespiels einweisen lässt. Einmal in der Woche treffen sich hier die Mitglieder des Bridgeclub Ibbenbüren, um die Grundlagen, die sie im Umgang mit dem französischen Blatt bereits erworben haben, weiter zu vervollkommnen.

Sofort in die Praxis einsteigen

„Wir sind aber nicht nur hier, um bessere Bridge-Spielerinnen zu werden und dann erfolgreich an den Club-Turnieren teilnehmen zu können“, erklärt mir Bärbel aus Lengerich, „es ist einfach sehr motivierend, miteinander etwas Neues zu lernen und sich darüber auszutauschen.“ Und wie also ließe sich ein derart vielschichtiges Kartenspiel wohl besser ergründen, als im wahrsten Sinne des Wortes: spielerisch? Bridge-Lehrer und Vereinsvorsitzender Georg Meyer räumt ein verbreitetes Vorurteil aus: „Anders, als Viele glauben“, betont er, „braucht man beim Bridge nämlich gar keine lange theoretische Einführung, sondern kann sofort in die Praxis einsteigen.“ Regelmäßig bietet er Anfängerkurse an – der nächste beginnt im September. Bärbel, Ingeborg, Gretel und Helga, an deren Tisch ich mich geselle, haben sowohl den Einsteiger- als auch den Fortgeschrittenenkurs bei Georg Meyer besucht. Seit einem knappen Jahr sind sie jetzt dabei. Vorher haben einige von ihnen Doppelkopf und Skat, Canasta, Rummikub oder leidenschaftlich Monopoly gespielt. Was ist das Faszinierende an Bridge? „Die Herausforderung“, sind sich alle Vier sofort einig. „Nach jeder Partie hat man das Gefühl, wieder ein bisschen mehr von diesem unglaublich komplexen Spiel begriffen zu haben.“

Spieler aus allen Himmelsrichtungen

Um nicht gänzlich ahnungslos da zu stehen, habe ich mich vor meinem Besuch bei den Mitgliedern des Bridgeclub Ibbenbüren – zumindest grob hin – in die Materie eingearbeitet: Bridge ist ein Kartenspiel für vier Personen. Es gibt zwei Parteien, deren Partner sich gegenüber sitzen und nach den Himmelsrichtungen als Nord- und Süd-, Ost- und Westspieler bezeichnet werden. Gespielt wird mit 52 Karten ohne Joker – 13 Stück pro Hand. Die Farben der Karten werden, anders als zum Beispiel beim Doppelkopf, mit Pik und Coeur (Herz), Karo und Treff (Kreuz) bezeichnet. Es geht nicht darum, möglichst viele Stiche zu bekommen, um mit einer möglichst hohen Punktzahl zu gewinnen, sondern darum, just genau die Anzahl an Stichen mit seinem Partner einzuheimsen, die man zuvor angesagt hat. Jede Runde unterteilt sich in zwei Phasen: das Reizen und das Spielen.

Gerechtigkeit statt Kartenglück

„Bridge ist wie Schach mit Karten“, sagt Georg Meyer und teilt die von ihm präparierten „Boards“ aus – kleine Plastikmäppchen, in denen verdeckt die passende Anzahl Karten für jeden Spieler bereits vorgesteckt ist. „Jeder Tisch bekommt ein identisches Board“, erklärt Meyer, „so kann sich hinterher keiner rausreden, dass jemand bloß wegen seines Kartenglücks gewonnen hat.“ Denn: Die verschiedenen Boards werden so verteilt, dass jeder Tisch an einem Nachmittag mit den gleichen Blättern zu recht kommen muss, wie alle anderen auch. „Beim Bridge kommt es eben darauf an, sich sehr gut mit seinem Partner abzustimmen“, sagt Helga, sortiert mit konzentrierter Miene ihre Karten und blickt dann die ihr gegenüber sitzende Gretel erwartungsvoll an. „Es ist unbedingt wichtig, strategisch vorzugehen“, wirft Ingeborg ein. „Und natürlich muss man sich gut merken, was die anderen ausgespielt haben“, ergänzt Bärbel. Georg Meyer wandert aufmerksam um die Tische herum, beobachtet interessiert, welche Karten seine Schülerinnen ins Feld führen und nickt zufrieden: „Spaß macht Bridge übrigens auch“, schmunzelt er, „sonst würde nämlich keiner Woche für Woche wieder herkommen.“

(erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 01.07.2015)