Keine Chance für Fruchtfliege und Co.

Bei ihrer unangemeldeten Routinekontrolle in der Eisdiele von Burim Hasani findet Susanne Stadtbäumer von der Lebensmittelüberwachung des Kreises Steinfurt einen vorbildlich gepflegten Betrieb vor. Foto: Ulrike Havermeyer

Saftige Tomaten, knackige Äpfel, süße Kirschen – in meiner Küche herrscht in einem Sommer wie diesem kein Mangel an frischen Vitaminen. An Fruchtfliegen allerdings auch nicht. Wie wohl die Profi-Gastronomen lästige Vier-, Sechs- oder gar Mehrbeiner loswerden?

Um mich über die Hygienestandards rund um das gewerbliche Aufbewahren, Zubereiten und Anbieten von Obst, Gemüse und Co. zu informieren, vereinbare ich einen Termin mit Susanne Stadtbäumer. Die gelernte Konditormeisterin hat eine zweijährige Ausbildung zur Lebensmittelkontrolleurin absolviert, arbeitet beim Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt des Kreises Steinfurt und ist unter anderem für die Gemeinden Lotte und Westerkappeln zuständig. Ihre zentrale Mission lautet: Verbraucherschutz.

Im Auftrag der Behörde überprüft sie, ob in Gaststätten und Restaurants, in Supermärkten und Bäckereien, in Kindergärten oder Schulen mit Essensausgabe, in Pizzerien, Tankstellen mit Bistrobereich oder in Imbissbuden die Vorschriften des Lebensmittelrechts eingehalten werden. Kurzum: Susanne Stadtbäumer hat ein waches Auge darauf, dass es überall dort, wo Lebensmittel über einen Tresen, eine Theke oder ein Tablett zum Kunden gelangen, sauber zugeht – hygienisch einwandfrei und gesundheitlich unbedenklich. Keine Keime. Keine Schädlinge. Keine Fruchtfliegen. Nichts, was die Lebensmittel verunreinigen oder Krankheiten übertragen oder auslösen könnte.

„Wir kommen grundsätzlich unangemeldet“

Energisch ausschreitend zieht die 35-jährige Saerbeckerin das schwarze Rollköfferchen hinter sich her über den Bürgersteig. Ein bisschen wirkt sie, als sei sie auf dem Weg zum nächstgelegenen Flughafen und müsse dort unbedingt noch den letzten Flieger erwischen. „Wir kommen grundsätzlich unangemeldet, sonst würde das Ganze ja keinen Sinn ergeben“, erläutert sie das Prozedere einer routinemäßigen Kontrolle, die – je nach Risiko, das von den in einem Betrieb verarbeiteten Lebensmitteln ausgeht (ungekochte Eier oder rohes Fleisch gelten zum Beispiel als besonders sensibel) – mehrmals im Jahr erfolgen kann. Von Zeit zu Zeit werden auch Proben genommen und mikrobiologisch analysiert sowie auf ihre chemische Zusammensetzung hin untersucht. An diesem Vormittag steht die Inspektion des Eiscafés Cristallo in Alt-Lotte auf dem Terminplan von Susanne Stadtbäumer.

Kaum hat sie mit einem forschen, aber freundlichen „Guten Morgen, Lebensmittelüberwachung“, das Lokal betreten und sich – „Ist der Chef zu sprechen?“ – an den Mitarbeiter hinter dem Tresen gewandt, kommt Burim Hasani auch schon aus der Küche geeilt. Falls er von dem Besuch der Lebensmittelkontrolleurin unangenehm überrumpelt sein sollte, so merkt man es dem Eisdielen-Betreiber nicht an. Ebenfalls lächelnd heißt er uns mit festem Händedruck willkommen. Und obwohl ich, anders als die Lebensmittelkontrolleurin, über keinerlei Betretungsrecht verfüge, erlaubt mir Hasani ohne zu zögern, Susanne Stadtbäumer bei ihrem Gang durch seinen Betrieb zu begleiten und darüber zu berichten. Ganz egal, was passiert.

„Kleinigkeiten findet man immer“

„Ein bisschen Herzklopfen und sehr viel Respekt sind schon dabei, wenn so eine Kontrolle stattfindet“, gesteht er freimütig, doch die Überwachung sei auch für ihn als Betreiber „sinnvoll und hilfreich.“ Denn auf diese Weise werde er auf eventuelle, von ihm bisher unbemerkte Schwachstellen aufmerksam gemacht und könne unverzüglich auf sie reagieren, was die Qualität seiner Produkte ja schließlich nur weiter verbessere. „Auch wenn die Räumlichkeiten hier schon seit längerer Zeit nicht mehr renoviert worden und an einigen Stellen aus heutiger Sicht nicht optimal sind“, hebt Susanne Stadtbäumer hervor, „hatte ich bei meinem vorherigen Besuch hier keine gravierenden Beanstandungen.“ Kleinigkeiten finde man immer. „Wir betrachten ja einen laufenden Betrieb.“

Dem Produktionsprozess folgend, sieht sich Susanne Stadtbäumer zunächst in einem kleinen Anbau um, der zugleich als Warenanlieferung und Trockenlager dient: Schließen die Außentüren dicht genug, sodass sich keine Mäuse durch etwaige Ritzen schummeln können? Wie ist es generell um die Schädlingsprophylaxe bestellt? Sind die Wände sauber und glatt? „Ah, Sie haben die Bohrlöcher mit Silikon verschlossen“, bemerkt die Kontrolleurin, „sehr gut.“ Solche Vertiefungen würden sonst gerne von Motten zur Eiablage genutzt. Beneidenswert ordentlich stehen sauber aufgereiht originalverpackte, ungeöffnete Zutaten auf glatten, leicht zu reinigenden Regalbrettern: Dosenweise eingelegtes Obst. Kunststoffflaschen voller Schoko- und Fruchtsaucen. Tüten mit Zucker und Kaffeepulver. Susanne Stadtbäumer wirft einen Blick auf die Haltbarkeitsdaten und nickt. Alles vorbildlich.

Den Gesamteindruck auf sich wirken lassen

Im nächsten Raum befinden sich zwei mannshohe Gefrierschränke, in denen Hasani die Vorratsbehälter mit dem  selbst hergestellten Eis aufbewahrt. An den Außentüren hängt eine Liste, in der er täglich die Kühltemperatur dokumentiert: minus 18 Grad. „Diese Eigenkontrolle ist uns sehr wichtig“, sagt Stadtbäumer und deutet auch auf den akribisch geführten Reinigungsplan an der gegenüberliegenden Wand. Außerdem muss Hasani nachweisen, dass sein Personal regelmäßig geschult wird und die Gäste über sämtliche Zutaten und mögliche Allergene in den angebotenen Speisen informieren kann. Susanne Stadtbäumer öffnet einen der Kühlschränke, in dem vor allem ungeöffnete Milch- und Sahnepackungen sowie das frische Obst für den tagesaktuellen Verzehr aufbewahrt werden. Sie überprüft die Wände und Dichtungen des Gerätes – keinerlei Schmutzrückstände.

Bevor die Kontrolleurin sich den Verkaufsraum und die sanitären Anlagen für die Mitarbeiter vornimmt, führt Hasani uns in die Küche, oder genauer gesagt: in sein Eislabor. „Jetzt kommt der Teil, der uns Lebensmittelkontrolleure immer am meisten interessiert: der Produktionsraum“, blickt sich Susanne Stadtbäumer mit konzentrierter Aufmerksamkeit um. „Zunächst lasse ich den Gesamteindruck auf mich wirken – wie sind die baulichen Gegebenheiten? Wie riecht es? Dann sehe ich mir die Details an.“ Sind die drei geforderten Wasserbecken vorhanden – eines zum Händewaschen, eines zum Reinigen der Lebensmittel und eines zum Abspülen der Gebrauchs- und Bedarfsgegenstände? Sind Vorkehrungen gegen Kreuzkontaminationen getroffen?  Wie sehen die Arbeitsflächen aus? Susanne Stadtbäumer geht auf die Knie: „Man darf den Raum nicht nur auf Augenhöhe wahrnehmen“, sagt sie, „spannend sind besonders die Ecken ganz hinten, da wo der Lappen nicht hinkommt.“

„Ein sehr schöner Betrieb“

Aber auch da hat Burim Hasani Vorkehrungen getroffen: Sowohl die edelstählerne Eismaschine von den Ausmaßen eines Wäschetrockners als auch der ebenfalls beachtliche Pasteurisierer und sogar der Schockfroster sind auf Rollen montiert und lassen sich in Null Komma nichts von der Wand abrücken. „Tolle Idee“, nickt die Kontrolleurin dem Eisfachmann anerkennend zu. Aber dann entdeckt sie doch noch etwas, das nicht in die Küche gehört: eine einzelne vorwitzige Fliege dreht ihre Runden über unsere Köpfe. Trotz Fliegengitter und geschlossener Türen. „Wahrscheinlich hat die sich nur hier hinein verirrt“, sinniert Susanne Stadtbäumer, „aber falls das mehr werden, sollten Sie etwas unternehmen.“ Am besten helfe in so einem Falle oftmals der gute, alte Leimfaden. „Ansonsten kann ich nur sagen: ein sehr schöner Betrieb“, fasst die Lebensmittelkontrolleurin am Ende ihres Besuchs zufrieden zusammen. Burim Hasani atmet erleichtert auf – und ich mache mir noch schnell eine Notiz auf meinem privatem Einkaufszettel: Fliegenfänger besorgen!

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 13.06.2018)