Ein Museum direkt unter den Füßen

Für den archäologiebegeisterten Schüler Peter Herschlein sind der Erdboden und die Geheimnisse, die er wie hier in der Tongrube am Sundern birgt, eine wahre Schatzkiste. Foto: Ulrike Havermeyer

Sand. Schlick. Schmodder. Der Lieblingsplatz von Peter Herschlein liegt direkt unter seinen Füßen. Das erdige Element ist es, das es dem 14-jährigen Westerkappelner angetan hat. Genauer gesagt, das, was drinnen ist, im Erdboden: Versteinerungen, jahrhundertealte Keramikscherben, mittelalterliche Werkzeuge oder die Überreste von Schmuck aus lange vergangenen Zeiten.

Zum Ausleben von derlei Ambitionen ist Westerkappeln ein durchaus geeignetes Pflaster: Gleich in Fahrradnähe zu Herschleins Elternhaus liegt die Tongrube im Sundern – einer der beiden Lieblingsplätze des archäologiebegeisterten Achtklässlers. Genauso gern gräbt, buddelt und forscht er allerdings in den einsamen Wattflächen rund um die Insel Pellworm. Über das, was er dort gefunden hat, hat der Westerkappelner sogar ein eigenes kleines Buch verfasst.

Warum ausgerechnet Dreck? Pardon: Erde. Erdboden. Erdreich. „Es ist so unglaublich spannend, sich vorzustellen, dass hier auch früher, sogar schon in der Steinzeit, Menschen gesiedelt und gelebt haben“, beschreibt Peter Herschlein die Faszination, die für ihn von seinem Lieblingsplatz ausgeht. „Und je nachdem, was man findet, kann man daraus schließen, wie unsere Vorfahren damals zurechtgekommen sind – wie ihre Unterkünfte aussahen, welche Gegenstände sie bereits herstellen konnten und womit sie sich den Tag über beschäftigt haben.“

Ein Museum in der Tiefe mithin. Ein Abenteuerroman, in Sand geschrieben. Eine Detektivgeschichte, deren Rätsel es – mit Fingerspitzengefühl und Scharfsinn gleichermaßen – zu lösen gilt. Wer die Zeichen deuten und die Spuren lesen kann, erobert sich auf diese Weise ganz eigenhändig ein Kapitel Menschheitsgeschichte. Dass Peter Herschlein mit seinen 14 Jahren durchaus ein Nachwuchsmeister seines Faches ist, verdankt er unter anderem Wieland Wienkämper. Gemeinsam mit dem versierten Westerkappelner Archäologen hat der Gymnasiast in den vergangenen Jahren schon manchen Kubikmeter Erde bewegt und dabei diverse Schätze und „Kulturspuren“ geborgen. Und natürlich: jede Menge technisches Know-how erworben und Wissen angehäuft.

Als er durch Zufall eine Fernsehdokumentation über die einstige Nordseeinsel „Strand“ und deren bekannteste Siedlung Rungholt sah, die vor rund 400 Jahren im Bereich des heutigen Pellworm versunken sind, hielt es Peter Herschlein nicht länger nur bei den Steinbrüchen, Kies- und Tongruben der näheren und weiteren Umgebung, die er und seine Familie mittlerweile in- und auswendig kannten. „Also gut“, sagten sich seine Eltern – „fahren wir nach Pellworm. Dann geht der Junge zwei-, dreimal den Strand entlang, findet nichts – und das Thema ist durch.“ Durch? Eltern können so niedlich sein.

„Gleich beim ersten Mal habe ich einige Tonscherben und Zähne vom Schaf im Watt entdeckt“, berichtet der Schüler. „Später auch noch zwei Pferdeschädel.“ Und als gewissenhafter Junior-Archäologe machte er sich unverdrossen daran, seine Funde sauber zu kartieren und nach weiteren Überresten Ausschau zu halten: Die Spuren ehemaliger Brunnenringe und Entwässerungsgräben. Oder das Bruchstück eines alten Holzrades. Fünfmal haben Peter Herschlein und seine Familie die Insel Pellworm in den vergangenen zwei Jahren besucht. Die ganze Zeit über hat er Daten zusammengetragen, Texte, Karten und Luftbilder aus dem Internet ausgewertet – und ein eigenes Buch über die Insel „Strand“ geschrieben. Die Pellwormer Lokalzeitung hat ausführlich über den jungen Forscher berichtet. Mit dem örtlichen Heimatkundler und Museumsbetreiber Hellmut Bahnsen ist er per Du. Die nächste Expedition in die geliebte Einöde ist bereits geplant.

Egal also, ob an der Nordseeküste oder im heimatlichen Tecklenburger Land – der Boden, auf dem es sich als Archäologe zwar fest, aber vor lauter Eifer kaum still stehen lässt, ist und bleibt für Peter Herschlein einer der spannendsten Orte, die er sich denken kann. Ein vielschichtiger Lieblingsplatz voller aufregender Geheimnisse. Der 14-Jährige nickt zufrieden: „Es gibt noch so viel zu entdecken“, sagt er, „und man weiß nie, was man als Nächstes findet.“

(Erschienen in: Neue Osnabrück, 17.06.2014)