Heia Walpurgis! Den Hexen auf der Spur

Im Schatten der schroffen Felsformation der Hexenküche erklärt „Oberhexe“ Ulrike Verrieth den unerschrockenen Abenteurern, was es mit der Walpurgisnacht in Tecklenburg auf sich hat. Foto: Ulrike Havermeyer

Zu einer thematischen Stadtführung zur Walpurgisnacht hat die Tecklenburg Touristik in Deutschlands nördlichst gelegene Bergstadt eingeladen. Um ein Haar wären mehr als drei Dutzend Spaziergänger davongeflogen.

Die Sturmböen tosen durch die kopfsteingepflasterten Gassen, pfeifen um vornüber gebeugte Fachwerkgiebel und schiefe Schornsteine herum. Unter einem dramatischen Himmel, in dem die schüchterne Aprilsonne hinter tiefschwarzen Wolken mit dem Mai Verstecken spielt, versammelt sich ein unerschrockenes Grüppchen Zeitreisender. Geführt und angeleitet von Oberhexe Ulrike Verrieth und ihrer Kollegin Bärbel Wandres, wollen sich die unerschrockenen Abenteurer in die heidnischen Bräuche der Walpurgisnacht einweihen und zum abgelegensten Außenposten des Blocksbergs führen lassen. Den Regenschirm fest unter den Arm geklemmt, geselle ich mich zu ihnen.

Hokuspokus mit doppeltem Knoten

Ulrike Verrieth wirft einen skeptischen Blick ins Wetter und zurrt sich, ganz nach Menschenart, ihre spitze Kopfbedeckung mit einem derben Stoffband unter dem Kinn fest. Denn fegte der Wind unserer Oberhexe das Zeichen ihrer dunklen Macht vom Haupte, was bliebe von ihr übrig, außer einer zwar äußerst belesenen, aber doch ihrer magischen Kräfte gänzlich beraubten, Stadtführerin…? Doch so, Hokuspokus und mit doppeltem Knoten, schlägt Verrieth den Winden ein Schnippchen. Entschlossen schnappt sie sich den Reisigbesen und schwenkt mit einem geheimnisvollen Lächeln ihr Weidenkörbchen. Doch dazu später mehr.

Ein sicherer Ort für Andersdenkende?

Zunächst einmal erklärt sie uns, warum sich die Hexen in Tecklenburg scheinbar zu allen Zeiten einigermaßen sicher gefühlt haben. Denn so finster und grausam das Mittelalter speziell zu Frauen gewesen sei – besonders zu solchen, die ihr Schicksal klug, eigenständig und emanzipiert in die eigenen Hände nahmen –  „es weist doch nichts darauf hin, dass in Tecklenburg jemals eine Frau als Hexe verbrannt worden ist“, berichtet Verrieth. Das hätten die Frauen vor allem dem 1588 in Tecklenburg verstorbenen und in der Stadtkirche beigesetzten Doktor Johannes Wier (oder Weyer) zu verdanken, einem bekennenden Gegner des Hexenwahns.

Zweifelhaft aber wirkungsvoll

Dank seiner zwar sehr zweifelhaften, aber zum Glück eben auch wirkungsvollen Argumentation, dass Frauen nicht aus Überzeugung, sondern aus reiner Dummheit dem Teufel nachliefen, und dass schließlich alle Frauen dumm und somit per se unschuldig seien, habe Wier wohl so manche weibliche Seele im Tecklenburger Land gerettet, gibt Ulrike Verrieth schmunzelnd zu bedenken.

Das mittelalterliche Flair bewahrt

Doch bevor wir den Wierturm in der Ruine der ehemaligen Burg erklimmen, um dem Retter der Tecklenburger Hexen zu huldigen, führt uns Ulrike Verrieth durch die Altstadt, die sich bis heute an vielen Stellen ihr mittelalterliches Flair bewahrt hat. Ob um die gedrungenen Gebäude an den Hängen der Bergstadt wohl wirklich einmal spitzbehütete Gestalten mit ihren Besen herumgewirbelt sind? Im Geäst der 450-jährigen Linde am Marktplatz dürfte sich zumindest manch schaurige Geschichte aus vergangenen Zeiten verheddert haben.

Schroffe Felsen im tiefen Wald

Über den Meesenhof, vorbei am Weinberg nähern wir uns Tecklenburgs magischem Zentrum: der Hexenküche. Tief im Wald im Schatten einer spektakulären Felsformation sollen sich hier früher die Frauen getroffen, ihre Kräuter gebraut und ausgelassen getanzt haben. Vorzugsweise in jener Walpurgisnacht vom 30. April auf den 1. Mai, in der sie traditionell  der Heiligsprechung der Äbtissin Walburga gedachten.

Der Fußabdruck des Teufels

An welchem andern Ort ließen sich die heidnischen Riten somit besser zelebrieren als hier, wo sogar der Teufel selbst seinen Fußabdruck hinterlassen hat? Oberhexe Ulrike Verrieth kramt denn auch energisch in ihrem Weidenkörbchen herum und befördert allerhand magisches Equipment zutage: Hexensalbe zur äußerlichen und Flugbenzin zur innerlichen Anwendung, dazu diverse Zettel mit einem gemeinsam aufzusagenden Zauberspruch. Ob‘s wirkt? Fast scheint es mir, als wäre ich kurz darauf bei einer besonders kraftvollen Windböe tatsächlich ein Stückchen höher abgehoben, als es unter rechten Dingen möglich gewesen wäre…

Den Sagen und Legenden nachgehen

Wer den Sagen und Legenden der Hexen im Tecklenburger Land nachgehen möchte, hat dazu auch jenseits der Walpurgisnacht Gelegenheit. Der etwa fünf Kilometer lange Hexenpfad ist ein gut ausgeschilderter, offizieller Wanderweg, der den Spaziergänger – entweder selbständig oder geführt – zu unterschiedlichen Stationen leitet, unter anderem zum Hexentanzplatz, zu Rolands Grab und zum Heidentempel. Außerdem bieten die Stadtführer der Tecklenburg Touristik thematische Wanderungen unter anderem zu den Themen „Hexenzauber und Hexenwahn“, „Von Geistern, Hexen und Spökenkiekern“ oder einen Fackelzug an Halloween an. Weitere Infos und Terminvereinbarung auf der Homepage www.tecklenburg-touristik.de oder telefonisch unter 05482/93890.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 03.05.2018)

PS: Die 13 Regeln der modernen Hexen (Wiccas):

1. Tu was du willst und schade Keinem.

2. Sei immer ehrlich zu dir selbst.

3. Beherrsche die Regeln deiner Hexenkunst.

4. Lerne dein Leben lang, sei immer neugierig für Neues.

5. Wende dein Wissen weise an.

6. Finde dein inneres Gleichgewicht und lebe danach.

7. Unterschätze nie die Kraft des Wortes.

8. Lerne dich zu konzentrieren.

9. Lebe im Einklang mit der Natur.

10. Meditiere.

11. Achte auf deine Gesundheit.

12. Akzeptiere deine Umwelt.

13. Ehre die Kraft der Natur.