Frischer Wind für die Mühlenfreunde Lechtingen

Nach aufwendigen Sanierungsarbeiten drehen sich seit ihrem hundertsten Geburtstag im Frühjahr 1987 die Flügel der Lechtinger Mühle wieder regelmäßig im Wind. Fotos (7): Ulrike Havermeyer

Richtig schnuckelig sieht sie aus, die kleine Windmühle in Lechtingen. Vom Dach des Schuppens äugen drei rostige Mäuse herab. Die Obstbäume stehen in voller Blüte. Wer das liebevoll restaurierte Baudenkmal am Rande der Gemeinde Wallenhorst besucht, fühlt sich beinahe in eine Märchenwelt versetzt. Doch neben der malerischen Kulisse bietet die Lechtinger Mühle auch spannende Einblicke in die Geschichte und die Entwicklung der Müllereitechnik.

 

Vom Scheunendach äugen rostige Mäuse herab. Wer genau hinschaut, entdeckt überall auf dem Gelände kleine Kunstwerke.

Mit sichtlichem Stolz schließen Ansgar Vennemann, Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins „Windmühle Lechtingen“ und seine Kollegen Stefan und Thomas Hardinghaus die derbe Holztür des Lechtinger Wahrzeichens an der Mühlenstraße 41 auf. „Als wir 1982 angefangen haben, die Mühle wieder aufzubauen, war das hier eine einzige Ruine – alles vollkommen desolat“, graust es Vennemann noch heute: die Wände brüchig, das Holz morsch, die Technik marode oder längst verscherbelt. „Die fehlende Mühlenkuppel hatte man durch ein Betondach ersetzt, durch das es zu allem Übel auch noch hindurch regnete…“ Mit viel ehrenamtlichem Engagement, ambitionierten Fachleuten, Spendern, Sponsoren und später auch mit öffentlichen Fördermitteln, wurde die alte Windmühle schließlich flott gemacht. Pünktlich zu ihrem hundertsten Geburtstag drehten sich im Frühjahr 1987 ihre Flügel erstmals wieder im Wind.

Ansgar Vennemann (von links), Stefan und Thomas Hardinghaus und viele andere Ehrenamtliche halten den Mühlenbetrieb am Laufen.

Schon seit diesem Neuanfang betreibt der 1982 gegründete Verein, dem mittlerweile rund 160 Mitglieder angehören, im Erdgeschoss des Gebäudes seinen gut sortierten Mühlenladen. „Wir wollten die Mühle nicht nur als Denkmal pflegen“, betont Vereinsvorsitzender Franz Josef Albers, „sondern sie mit Leben erfüllen.“ Ganzjährig bieten ehrenamtliche Helfer daher jeden Samstag von 10 bis 12 Uhr neben anderen Naturprodukten wie Honig oder Vollkornnudeln auch selbst gemischtes Müsli und Biogetreide aus der Region an, auf Wunsch auch frisch geschrotet: den Dinkel mit einer kleinen Ladenmühle, Weizen und Roggen mit dem Elektromahlgang auf dem Mahlboden. Von April bis Oktober ist die Lechtinger Mühle außerdem jeden ersten Sonntag im Monat von 15 Uhr bis 17 Uhr für Besucher geöffnet. Darüber hinaus lädt der Verein zu Konzerten und zum Mühlenmarkt ein und stellt seine Räumlichkeiten für Familienfeiern zur Verfügung. Weitere Informationen unter www.windmuehle-lechtingen.de.

Der Renner im vereinseigenen Laden, verrät Franz Josef Albers, ist nicht nur frisch gemahlener Bio-Dinkel aus der Region, sondern auch das selbst gemische Mühlen-Müsli.

Die Flügel der Lechtinger Mühle drehen sich beispielsweise immer dann, wenn Schulklassen oder angemeldete Besuchergruppen – bei genügend Wind – die alte Kunst des Müllerhandwerks erleben wollen. Und – bei entsprechendem Wetter – natürlich auch traditionell am Pfingstmontag, an dem bundesweit oftmals mehr als tausend Wind- und Wasser-, Dampf- und Motormühlen anlässlich des Deutschen Mühlentages ihren Besuchern einen Blick hinter die Kulissen gewähren und zu einer Reise in die Vergangenheit einladen. „Von der Galerie unserer Mühle hat man aber auch einen guten Blick in die Zukunft“, deutet Vennemann in Richtung Piesberg, auf dem die Windkraftanlagen der Osnabrücker Stadtwerke als legitime Nachfolger der Windmühlen heute für umweltfreundlichen Strom sorgen.

Ihren ganz großen Auftritt hatte die Windmühle in Lechtingen beim 25. Jubiläum des Deutschen Mühlentages 2018, als die offizielle Auftaktfeier im Windschatten ihrer Flügel abgehalten wurde.

Nachdem an der Lechtinger Mühle 2018 mit einem bunten Festprogramm und vielen Gästen die offizielle Auftaktveranstaltung zum 25. Deutschen Mühlentag unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulf gefeiert wurde, haben Franz Josef Albers und seine Mitstreiter längst neue Ziele im Visier: Im Nebengebäude des Mühlenensembles harrt eine betagte Motormühle aus den 1930er Jahren ihrer Wiederinbetriebnahme. „Da sind allerdings allein am Gebäude, vom Fundament bis zum Dach, noch jede Menge Sanierungsarbeiten nötig“, beschreibt Albers das Mammutprojekt. Doch wenn das Gemäuer erst wieder stabil und die Mühlentechnik vom Holzwurm befreit und in Stand gesetzt sind: „Dann haben wir hier in Lechtingen ein echtes Alleinstellungsmerkmal – kreisweit und auch darüber hinaus“, freut sich Ansgar Vennemann. Denn eine laufende Windmühle und eine von ihr räumlich getrennte, ebenfalls funktionierende Motormühle (genauer: eine Mehrpassagenmühle) an einem gemeinsamen Standort präsentieren zu können, das sei schon etwas ganz Besonderes.

Der Herford-1-Zylinder-Diesel-Stationärmotor wartet – genau wie Ansgar Vennemann und Franz Josef Albers – auf die Wiederinbetriebnahmne der Motormühle.

Während sich die Riemen der Motormühle, deren Maschinen allesamt im Originalzustand vom letzten Müller in Lechtingen erhalten geblieben sind, zunächst aber nur in den Köpfen der Vereinsmitglieder bewegen, ist das künftige Herzstück der Anlage bereits dienstbereit für technikaffine Besucher zu bestaunen: „Unser Highlight und Schmuckstück“, lenken Albers und Vennemann den Blick auf einen Herford-1-Zylinder-Diesel-Stationärmotor in vorbildlich restauriertem Zustand. Durch ein großes Sichtfenster können Gäste künftig dem stattlichen Kraftpaket bei der Arbeit zusehen. „Unser Ziel ist es, hier in der Motormühle irgendwann eigenes Auszugsmehl aus der Region herzustellen“, kündigt Albers an. Welches man dann wiederum im Mühlenladen erwerben könne.

Keine Chance: Auch in Lechtingen kämpft Don Quixote vergebends gegen die Windmühle…

Übrigens: Wo anders hätte das 25-jährige Jubiläum im Jahre 2018 des Deutschen Mühlentages eröffnet werden können als in Lechtingen? Hier ist dieser Tag schließlich erfunden worden – und das sogar schon vor viel mehr als damals 25 Jahren. „Ein Jahr nachdem wir 1987 unsere Mühle in Betrieb genommen haben, haben wir den ersten Mühlentag gefeiert“, erinnert sich Ansgar Vennemann. Nach dem Vorbild der Niederländer initiierte Vennemann, der „Vater des Deutschen Mühlentages“, 1988 die erste Veranstaltung dieser Art – zunächst allerdings nur in der Region Osnabrück. Das bundesweite Interesse kam erst fünf Jahre später auf. Daher die Differenz in der Festtagsbilanz: „Eigentlich haben wir im Osnabrücker Land 2018 also gleich zwei Jubiläen gefeiert“, schmunzelt Vennemann: „Das 30-jährige unseres eigenen und das 25-jährige des bundesweiten Mühlentages.“

(Erschienen auf www.osnabruecker-land.de/blog)