Bierdegustation beim evangelischen Männerkreis

Auch Wasser wird zum edlen Tropfen, mischt man es mit Malz und Hopfen. Sagt der Freund des Bieres. Der Skeptiker mahnt: Gott gibt den Verstand, der Hopfen nimmt ihn. Foto: pixabay.com

Das Bier ist golden, kühl und alles andere als herb. Und weil die Gäste, wie sie mit feierlicher Ernsthaftigkeit versicheren, nicht nur des Alkohols wegen da sind, fällt ihnen eine höflich-beherrschte Zurückhaltung auch nicht schwer. Allein: Wie sie da Psalmen singend vor schrumpelnden Schaumkronen ausharren, können sie die verräterischen Zeichen ihrer Vorfreude doch nur schwer verbergen.

Die rund 70 Herren des evangelischen Männerkreises, die der Einladung von Pastor Olaf Maeder zum Vortrag „Die Geschichte der Gasthöfe in Deutschland. Inklusive Bierdegustation“ gefolgt sind, scheinen vor allem eines zu sein: wissensdurstig. „Das Martin-Niemöller-Haus ist immer voll besetzt, wenn alle 14 Tage der Männerkreis zusammenkommt“, betont Pastor Maeder. „Auch bei trockeneren Themen.“

Während Referent Pastor Detlef Salomo die erste Folie auf dem Tageslichtprojektor ausrichtet, füllt Bier-Sommelier Frank Wahlbrink die Gläser mit dem ersten flüssigen Testkandidaten: ein „Prinzipal“ aus Oelde. „Ich stelle hier regionale Biere aus privaten Brauereien vor. Keine stinknormalen Industriebiere.“ Es folgen: ein tiefer Schluck, ein kritischer Blick, zustimmendes Nicken.

Derweil breitet Pastor Salomo die Geschichte der römischen Taverna – der „Mutter aller Gasthöfe“– aus, in der einstmals an den Fernstraßen die Reisenden beköstigt wurden. Das Römische Reich brach zusammen, die Wirtshäuser blieben, und die Braukunst begann sich zu entwickeln. Zunächst in den privaten Haushalten, wo der Gerstensaft neben dem Brot lange Zeit als Grundnahrungsmittel galt. „Das Bier enthielt damals allerdings deutlich weniger Alkohol“, erläutert Salomo. „Zudem war es wegen des Gärprozesses auch oft hygienischer als das bakterienbelastete Wasser.“ Familien, die gerade frisches, hausgebrautes Bier im Ausschank hatten, hängten für alle Reisenden gut sichtbar einen Strauß oder einen Kranz an ihre Tür. „Daher auch der Name: ,Im Krug zum grünen Kranze‘.“

Das ist das Stichwort für Frank Wahlbrink, der nun mit schnellen Schritten Kiste um Kiste „Landbier“ in den Saal balanciert, um die zweiten von insgesamt vier Gläsern zu füllen: „Eine untergärige Spezialität aus vier verschiedenen Malzsorten. Im Jahre 2003 zum Bier des Jahres gekürt.“ Ein tiefer Schluck, ein kritischer Blick, lebhaftes Einverständnis.

Die nächste Folie. Pastor Salomo führt seine Zuhörer an Schänken vorbei, die mittels ausgehängter Schweinsblasen signalisieren, dass sie ihren Gästen neben Getränken auch Schlachtplatten servierten. Erste Herbergen mit Übernachtungsmöglichkeiten für Pilgerreisende entstehen, die sich dann auch ein markantes Schild schmieden lassen und einen einprägsamen Namen zulegen: „Zum Adler“, „Zum Löwen“ oder „Zum Riesen“.

Diese Schildgastwirte verpflichteten sich, dem Gastrecht nachzukommen, qualitativ und quantitativ gut einzuschenken, den Schutz ihrer Gäste zu übernehmen und Steuern zu zahlen, erklärt Pastor Salomo und blickt vielsagend auf Glas Nummer drei. In das schenkt Wahlbrink süffiges Kölsch ein: „Ein hopfenbetontes obergäriges Vollbier. Echtes Kölsch muss per Urteil der EU-Kommission in der Region Köln gebraut worden sein.“ Ein tiefer Schluck, ein mildes Lächeln, ein zufriedener Blick zum Nachbarn.

Mit Kurs auf die Gegenwart nimmt Pastor Salomo seine Zuhörer auf der letzten Etappe mit in Zunftstuben, Klosterschänken, Ratskeller, Hofbrauhäuser, Biergärten und streift schließlich die Berliner Kneipenkultur. Applaus. Und während sich drinnen die Flaschen mit einem bayrischen Weißbier leeren, treffen draußen nach und nach die Frauen mit den Pkw ein, um ihre wissensdurstgelöschten Männer nach Hause zu holen.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 04.10.2012)

 

Das deutsche Reinheitsgebot:

Deutsches Bier muss in der Bundesrepublik Deutschland laut Gesetz auch heute noch ausschließlich aus Malz, Hopfen, Hefe und Wasser hergestellt werden. Damit ist das Reinheitsgebot von 1516 die älteste, noch heute gültige Lebensmittelgesetzgebung der Welt.

(Quelle: Deutscher Brauer-Bund)