Konsumkritisches Verhalten macht Spaß

Aus der Vielfalt des Angebots bedient sich auch Susanne Reibold aus Recke. Die Kleidungsstücke, die am Ende der Tauschparty übrigbleiben, spenden die Organisatoren an das soziale Kaufhaus. Fotos (2): Ulrike Havermeyer

Pullis und T-Shirts aus der Region für die Region? Zwar nicht von Beginn ihrer Herstellung an, aber doch in einer Art „zweitem Leben“ erfreuen sich einige meiner Kleidungsstücke jetzt eines ökologisch nachhaltigen und sozial gerechteren Daseins.

Blusen im Vintage-Stil. Ein kuschelig weicher neuer Lieblingsschal. Und reihenweise schicke Kleider, lässig geschnittene Röcke und sportliche Blazer. Dazu jede Menge extravagante Accessoires, Halsketten, Hüte, Pumps, sogar eine kleine Ecke mit Herrenbekleidung ist eingerichtet. Wie gut, dass für jeden, der die Tauschparty im Mettinger Schultenhof besucht, Geld keine Rolle spielt. Denn wer an diesem Nachmittag die Gelegenheit nutzt, seine Garderobe aufzufrischen, lässt das Portemonnaie einfach zuhause: Ware gegen Ware wechseln die Güter hier ihre Besitzer. Statt als Käufer und Verkäufer agieren die rund 200 Teilnehmer als Tauschpartner. Mit vollen Taschen aus dem eigenen Fundus kommen, und mit vollen Taschen anderen Inhaltes wieder gehen, lautet die Devise. Ein verlockendes Angebot, das außer den Mettingern auch viele Westerkappelner, Lotteraner, Recker und Ibbenbürener begeistert annehmen.

Auch ich habe meinen Kleiderschrank durchstöbert und mich, mal mit leichter Hand, mal schweren Herzens von einigen meiner textilen Wegbegleiter getrennt. Die meisten Teile sind kaum getragen – viel zu schade auf jeden Fall, um sie im Altkleidercontainer einem ungewissen Schicksal zu überlassen. Die Vorstellung, dass meinem einstigen Lieblingspullover noch ein paar schöne Jahre als nützliches Kleidungsstück vergönnt sind, empfinde ich als reizvollen Gedanken. Schließlich stecken in seiner Herstellung jede Menge Produktionskosten und Anleihen an die Umwelt. Ihn einer für jedermann verfügbaren „öffentlichen Kollektion“ vorzuenthalten, wäre so betrachtet eine geradezu sträfliche Verschwendung.

Bewusster Umgang mit begrenzten Ressourcen

„Die Idee zu unserer Tauschparty stammt von meiner Tochter Jule“, erzählt Petra Brenningmeyer. Gemeinsam mit ihren Freundinnen habe die damalige Absolventin des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums die Verbraucher zu einem bewussteren Umgang mit den auf der Erde begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen anregen wollen. Mit Erfolg offenbar. Denn seit der Premiere 2016 erfreut sich die Veranstaltung von Jahr zu Jahr größerer Beliebtheit. Um ihrer Tochter, die mittlerweile studiert und sich beim Kinderhilfswerk Terre des Hommes engagiert, den Rücken frei zu halten, hat Mutter Petra Brenningmeyer inzwischen das Zepter übernommen: Zusammen mit Katja Kamp und einem ambitionierten Helferteam organisiert sie zum zweiten Mal die Tauschparty. Außer gut erhaltener Bekleidung, Schmuck und Handtaschen sind auch Bücher und Gesellschaftsspiele im Angebot.

Das Portemonnaie zuhause lassen und trotzdem mit vollen Taschen heimkehren – konsumkritisches Verhalten macht durchaus Spaß!

Kaum habe ich meine acht mitgebrachten Teile bei Inga Veerkamp an der Warenannahme abgegeben und für sie acht Plastikchips als Tauschwährung erhalten, da springt mir auch schon eine hübsch gemusterte Sommerbluse ins Auge. Und das Halstuch dort hinten ist ebenfalls sehr apart! Ganz zu schweigen von der schicken Halskette… Wer hätte gedacht, dass konsumkritisches Verhalten so viel Spaß machen kann?! „Na, ich glaube, Sie haben sich da gerade verliebt“, kommentiert eine fröhliche Seniorin neben mir mein Interesse und schmunzelt, während auch sie die Konfektion mit kritischem Interesse begutachtet. „Eine solche Vielfalt habe ich gar nicht erwartet – da ist auch Markenware dabei“, staunt sie, schnappt sich einen Strickpullover und nimmt Kurs auf eines der beiden Umkleidezelte. „Gebrauchte Bekleidung ist ja auch viel gesünder zu tragen“, bemerkt eine andere Kundin, „da sind die Schadstoffe nämlich schon rausgewaschen.“

Tipps und Infos zum Konsumwandeln

Während sich zu meiner neuen Blümchenbluse längst ein unwiderstehlicher Cordrock, zwei T-Shirts und – da konnte ich einfach nicht Nein sagen: ein farblich perfekt zu meiner Brille passendes Halstuch gesellt haben, sortieren und portionieren Petra Brenningmeyer und ihr Team im Nebenraum den Nachschub. Schließlich kommen mit jeder neuen Besucherin auch wieder neue Waren auf den Tauschmarkt. Just ist ein Kleiderbügel leer, hängt auch schon der nächste Mantel daran… Doch statt sich – wie beim Schlussverkauf oder auf dem Flohmarkt – dem Stress des Feilschens und der Schnäppchenjagd hinzugeben, ist die Stimmung unter den Partygästen im Mettinger Schultenhof auffallend entspannt: Außer jeder Menge Unikate tauschen die Besucher vor allem eifrig Tipps und Informationen aus. In einer Leseecke sind Broschüren des Vereins „Jugend denkt um“ zum Thema Konsumwandel ausgelegt. Ganz im Sinne von Jule Brenninkmeyer.

Als ich – wie könnte es anders sein: voll beladen – den Schultenhof verlasse, begegne ich Nicole Lambrecht. Aus ihrer Tasche lugt zwischen bunten Stoffbergen ein Comic heraus, der mir verdächtig bekannt vorkommt: Das Donald-Duck-Büchlein, das ich mir am vergangenen Wochenende gegönnt und sogleich verschlungen habe. „Das bringe ich meinem zwölfjährigen Sohn Max mit“, verrät mir die Ibbenbürenerin. Gut zu wissen, freue ich mich, dass den sympathischen Enterich, statt in meinem Regal zu verstauben, nun eine deutlich spannendere Zukunft erwartet.

 (Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 31.01.2018)