Die regionale Waldwirtschaft auf dem Prüfstand

Ein Prüfer in Hut und Gummistiefeln: Hans Kraske (rechts) nimmt die Forsten der FBG Neuenkirchen unter die Lupe. Am Ergebnis interessiert sind Johannes Röttger (von links), Martin Gohmann, Klaus Meyering, Martin Meyer Lührmann und Andreas Wiemer. Foto: Ulrike Havermeye

Um zu überprüfen, ob die 159 Waldbesitzer der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Neuenkirchen ihre Bestände nachhaltig bewirtschaften, hat Hans Kraske vom „Wald-Tüv“ genau hingeschaut. Seine Antwort: Alles in Ordnung in den Wäldern der FBG, die daher wieder das PEFC-Zertifikat erhält.

Ein nebeliger Dezembermorgen. Das Thermometer zeigt knapp über null Grad. Durch den Fichtenforst von Martin Gohmann röhrt der Harvester. Nein, hier wird nichts kahl geschlagen – in Zeiten nachhaltiger Waldwirtschaft ist auch bei der Holzernte Fingerspitzengefühl angesagt. Nur Bäume, die krumm und schief wachsen und keinen ordentlichen Ertrag erwarten lassen, werden ausgemustert. Und natürlich die Exemplare, die von Bezirksförster Martin Meyer Lührmann als reif fürs Sägewerk befunden worden sind – und aus denen dann später Paletten, Bauholz oder Spanplatten gefertigt werden. „Die meisten Sägewerker nehmen mittlerweile nur noch Holz von zertifizierten Wirtschaftsbetrieben an“, erklärt Meyer Lührmann, der die rund 740 Hektar Forst der FBG Neuenkirchen im Auftrag der Waldbesitzer betreut.

Natürliche Verjüngung unterstützen

Aber was müssen diese tun, um an das begehrte Zertifikat heranzukommen? Hans Kraske, ebenfalls ausgebildeter Förster und im Auftrag der Firma DQS als unabhängiger Auditor unterwegs, stiefelt geradewegs in den Wald hinein, in dem Klaus Meyering mit seinem Harvester bis eben noch sehr gezielt einzelne Bäume aus der Vegetation heraus genascht hat. „Die Bäume, die gefällt werden sollen, sind hier deutlich markiert“, stellt Kraske mit Blick auf die leuchtend gelben Farbzeichen an manchen Stämmen wohlwollend fest und macht sich eine Notiz. „Am vorhandenen Bestand ist kein Schaden entstanden – auch das sieht sehr gut aus.“ Außerdem unterstützten die Neuenkirchener offensichtlich eine natürliche Verjüngung ihrer Wälder, bemerkt der Auditor und deutet auf die zarten Fichtenpflänzchen hin, die sich erst wenige Zentimeter hoch durch die Laubschicht geschoben haben. „Nur die Rückegassen, durch die die Maschinen beim Durchforsten fahren, liegen hier etwas eng beieinander“, moniert er.

Geschichte der Fläche spielt mit

Kein Versehen, sondern Absicht, erklärt ihm Martin Meyer Lührmann, denn die FBG nutze die bereits seit 1972 bestehenden Korridore, als der Wald auf dieser Parzelle von einem Orkan nahezu komplett gelegt und anschließend neu aufgeforstet worden sei. „Wo die nun schon einmal da waren, wollten wir keine zusätzlichen Schneisen schlagen“, sagt der Förster. Kraske sieht sich um – und nickt schließlich. Dieses Argument lässt er gelten.

Artenreichtum ist gut fürs Biotop

Mehrere Stunden lang marschieren Kraske und die Vertreter der FBG durch den Wald von Martin Gohmann. Stoßen dabei auf knorrige alte Eichen und schlanke Rotbuchen, die wirtschaftlich betrachtet keinen Nutzen haben. „Aber solche markanten Bäume lassen wir natürlich stehen“, sagt Gohmann, „die sind einem ja schließlich auch ans Herz gewachsen.“ Außerdem: Je artenreicher das Biotop, umso besser für dessen Bewohner. Hier und da entdeckt Kraske Totholz und freut sich, dass die FBG auch an Insekten und Spechte denkt, die auf die abgestorbenen Veteranen angewiesen sind.

Dem Prüfer Rede und Antwort stehen

Schritt für Schritt geht es nicht nur tiefer in den Wald, sondern auch in die Materie und den PEFC-Kriterienkatalog hinein: Wie stellen die Neuenkirchener sicher, dass bei Aufforstungen die zugekauften Pflanzen aus der Region stammen? Ist der Waldboden ausreichend gegen das Gewicht der schweren Maschinen geschützt? Inwieweit unterstützen die Jäger das Ansinnen der Waldbesitzer? Martin Meyer Lührmann steht dem Prüfer Rede und Antwort. Und Kraske schreibt eifrig in sein Notizbuch und nickt dabei zufrieden. Doch bevor er das Zertifikat neuerlich vergibt, will er sich noch ein paar weitere Flächen der FBG ansehen – schließlich ist der Tag noch jung. Und jetzt, wo die Sonne bedächtig durch den Nebel bricht und die Temperaturen langsam ansteigen, wo wäre ein Naturfreund da lieber, als in einem gesunden und mit Fingerspitzengefühl bewirtschafteten Mischwald?

Was steckt hinter dem PEFC-Zertifikat?

Eine Zertifizierung gemäß PEFC – dem „Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes“ (Zertifizierungssystem für nachhaltige Waldbewirtschaftung) – will nach Angaben des Vereins PEFC Deutschland die nachhaltige Waldbewirtschaftung unter ökologischen, sozialen und ökonomischen Standards sicherstellen und kontinuierlich verbessern. Das Zertifizierungssystem PEFC geht auf die Umweltkonferenz von Rio zurück und basiert inhaltlich auf den Beschlüssen, die auf den Ministerkonferenzen zum Schutz der Wälder in Europa (Helsinki 1993, Lissabon 1998) von 37 Nationen im Pan-Europäischen Prozess verabschiedet wurden. Unabhängige Zertifizierungsgesellschaften gewährleisten, dass die Wälder nach den festgeschriebenen Standards bewirtschaftet werden. Quelle: PEFC Deutschland e.V., weitere Infos auf www.pefc.de.

(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 06.12.2017)