Manchmal ist das Leben eben doch ein Ponyhof!

Voltigieren macht Spaß – ist aber auch ganz schön anstrengend: Einmal in der Woche treffen sich die Mädchen mit ihrer Ausbilderin Kirsten Ostendorf (links) zum Trainieren. Foto: Ulrike Havermeyer

Rasante Entwicklung: Für zwölf Teams hat die Voltigiergruppe des RuF Neuenkirchen vor gut zehn Jahren ihr erstes Turnier ausgerichtet. An diesem Wochenende starten 48 Gruppen aus 22 Vereinen und weitere 25 Einzelvoltigierer in der Halle am Lünort.

Acht quirlige Mädchen zwischen sieben und zwölf Jahren flitzen durch die Reithalle, rollen Gymnastikmatten über den Sand, stellen Pylone auf und legen die Holzhanteln parat. Laura Ostendorf und Lina Vennemeyer, die beiden Co-Trainerinnen, wuchten währenddessen einen sperrigen Holzbock in die Bahn: ein regloses Modell-Pferd zum Üben. Longenführerin Kirsten Ostendorf bespricht noch schnell einige Details für das anstehende Voltigierturnier des Reit- und Fahrvereins Neuenkirchen mit Elternvertreterin Tina Brinkmann. Sind die Anzüge einsatzbereit? Weiß jeder, wann er wo zu sein hat? Geschäftigkeit pur beim vorletzten Training der Voltigiergruppe vor ihrem großen Auftritt beim Kids-Cup am morgigen Sonntagnachmittag.

Nur Lipton, der elfjährige Schimmelwallach, macht sich nichts aus dem ganzen Trubel. Die Augenlider noch etwas schläfrig auf Halbmast, lässt er sich geduldig von Lena, der Neunten im Bunde der Voltigiergruppe, am langen Zügel über den Hufschlag führen. Aufwärmen ist angesagt. Oder in Liptons Fall: erstmal Aufwachen… Doch kaum übernimmt Voltigierausbilderin Kirsten Ostendorf die Longe, spitzen sich die Ohren des Vierbeiners in Fahrtrichtung: Im Arbeitstempo Teee-rab – los geht’s!

Jeweils 60 Minuten in der Woche trainieren die vier Nachwuchs-Voltigiergruppen des Reit- und Fahrvereins Neuenkirchen ihre akrobatischen Bewegungsabläufe auf dem Pferderücken: Fahne, freier Grundsitz, Knien oder Schere heißen die Figuren, die im Pflichtprogramm den Wertungsrichtern bei einem Wettbewerb vorgestellt werden. ,„Achtzig Prozent von dem, was die Mädchen auf dem Pferd umsetzen, wird am Boden gelernt“, erläutert Kirsten Ostendorf: Gleichgewicht, Kraft, Schnellkraft, Koordination, Raum-Lage-Orientierung, Ausdauer, Gelenkigkeit – hinter den Übungen, die die Voltigierer später so leicht und elegant auf Liptons schaukeligem Rücken präsentieren, steckt hartes Training, jede Menge Disziplin und – nicht zu vergessen: die Fähigkeit, sich auf den Punkt genau zu konzentrieren. Lena, neun Jahre alt, schaltet sich in das Gespräch ein: „Voltigieren macht übrigens auch ganz viel Spaß“, erinnert sie an das Wesentliche. Kirsten Ostendorf schmunzelt und nickt. Mädchen, Pferde, Teamgeist – manchmal ist das Leben eben doch ein Ponyhof.

Während Lipton sich schnaufend warm trabt, lockern auch die Voltigier-Mädchen ihre Muskeln: Nach dem Vorwärtslaufen, Rückwärtslaufen und Slalomlaufen durch den Hallensand folgen Rolle vorwärts, Rolle rückwärts und Radschlagen über die Mattenbahn. Liegestützen. Balancieren. Dehnen. Langsam aber sicher färben sich die Wangen der Mädchen rot und röter. „Voltigieren ist anstrengend!“, ruft ihre Trainerin ihnen aufmunternd zu. Und das sogar schon ohne Pferd…

Aber auch das lebendige Sportgerät auf vier Hufen hat inzwischen seine Betriebstemperatur erreicht. Und während einige der Mädchen die Abfolge ihrer Übungen zur Sicherheit und unter Aufsicht von Laura Ostendorf und Lina Vennemeyer noch einmal auf dem Holzbock turnen, laufen die anderen bereits im Gleichschritt neben Lipton her und tätscheln dem geduldigen Wallach liebevoll den Hals. „In dieser Phase nehmen die Mädchen Kontakt zum Pferd auf und finden ihren Rhythmus“, erklärt Kirsten Ostendorf. Sie pariert den Schimmel zum Schritt durch – und das eigentliche Training beginnt.

Welche Übungen Lena, Theresa und Matilda, Emily, Sarah und Lara-Marie, Marlene, Anna-Sophie und Lisa-Marie für ihre musikalisch unterlegte Kür auf Lipton einstudiert haben, zeigen sie am Sonntagnachmittag beim großen Voltigierturnier in der Reithalle am Lünort in Neuenkirchen. So viel dürfte aber bereits jetzt sicher sein: Das Publikum kann sich außer auf spektakuläre Posen auf dem Pferderücken auch auf vor Freude, Stolz und Spaß strahlende Gesichter freuen. Die ersten Prüfungen beginnen bereits heute um 12.15 Uhr. Am Sonntag starten die Einzelteilnehmer ab 8 Uhr.

(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 22.10.2016)