Die Ernte eines Sommers

Je wärmer der Sommer, desto vielschichtiger die Ölgemälde: Am liebsten arbeitet Erika Rußwinkel-Schulz in ihrem Wintergarten. Foto: Ulrike Havermeyer
Je wärmer der Sommer, desto vielschichtiger die Ölgemälde: Am liebsten arbeitet Erika Rußwinkel-Schulz in ihrem Wintergarten. Foto: Ulrike Havermeyer

Je heißer der Sommer und je milder der Herbst, desto vielschichtiger reifen die Ölgemälde von Erika Rußwinkel-Schulz heran. Solange die Temperaturen stimmen, malt die Belmer Künstlerin am liebsten in ihrem Wintergarten – bei weit geöffneten Türen.

Von außen betrachtet, erscheint das schnuckelige Eigenheim von Erika Rußwinkel-Schulz und ihrem Mann Hartmut wie ein ganz normales, gepflegtes Siedlungshaus. Doch kaum tritt der Besucher ein, stellt er überrascht fest, dass er sich in einem riesigen Atelier, in einer Werkstatt der Farben und Formen, der Schattierungen und Perspektiven befindet. Auf drei Etagen hat hier die Kunst eine Heimat gefunden: Im Souterrain bewahrt die diplomierte Grafik-Designerin ihre fertigen Werke auf und archiviert sie mit sorgfältiger Akribie. Das Treppenhaus dient als private Galerie mit wechselnden Exponaten. Im ersten Stock befindet sich das Arbeitszimmer, in dem sich Pinsel, Tuben und Leinwände, Spachtel, Bürsten und Radiernadeln auf den Holztischen und neben den Staffeleien stapeln. Im Nebenzimmer kümmert sich Hartmut Rußwinkel mit heiterem Enthusiasmus um die passenden Rahmungen.

Ein guter Jahrgang

Abhängig von den Jahreszeiten, befindet sich das saisonale Herzstück des Ateliers jedoch im Parterre der Wohnung: Auf der Gartenterrasse reift die Ernte des Sommers – Ölgemälde! – heran, die zuvor im Wintergarten entstanden ist. „Ölfarbe braucht sehr lange, um zu trocknen“, erklärt die versierte Kunstpädagogin. „Wenn ich mehrere Schichten auftrage, dauert das auch schon mal einige Wochen.“ Ein Blick auf die Ausbeute des Sommers 2016 zeigt: Es war ein guter Jahrgang. Wie eine sanfte Brise schweben die Farben, satt und doch schwerelos, kraftvoll und duftig über die Leinwände. „Ich bin ein positiver, ein optimistischer Mensch“, sagt die 65-Jährige: „Ich glaube, dass sich diese Lebensfreude in vielen meiner Arbeiten widerspiegelt.“

Außer mit Ölgemälden beschäftigt sich die diplomierte Grafikerin auch besonders gern mit Radierungen. Foto: Ulrike Havermeyer
Außer mit Ölgemälden beschäftigt sich die diplomierte Grafikerin auch besonders gern mit Radierungen. Foto: Ulrike Havermeyer

Von der Pike auf gelernt

Kündigt sich dann wie jetzt die kühle Jahreszeit an, verfällt die experimentierfreudige Malerin mitnichten in eine künstlerische Winterstarre: Mit unermüdlichem Elan und dem Kopf voller Pläne zieht Erika Rußwinkel-Schulz von ihrer lichten, luftigen Sommerresidenz ins solide temperierte Arbeitszimmer um und widmeten sich all den anderen Techniken – Aquarellmalerei, Radierungen, Acrylarbeiten, Collagen, Lithografien, Zeichnungen – die sie im Laufe ihres Studiums und bei diversen Fortbildungen von der Pike auf gelernt hat.

Dann eben: Klappstulle…

„Die alten Traditionen wie beispielsweise die Kupferradierung faszinieren mich sehr“, beschreibt sie ihre Leidenschaft für die handwerklichen Aspekte der bildenden Kunst, „aber vor allem mag ich es, Techniken miteinander zu kombinieren und mich von ihnen zu etwas ganz Neuem inspirieren zu lassen.“ Und wenn das Ergebnis ihren Ansprüchen dann doch nicht entspricht? Erika Rußwinkel-Schulz zuckt mit den Schultern, schmunzelt und macht eine ausladende Geste mit den Händen: „Klappstulle“, sagt sie und lacht. „Das hat mein ehemaliger Lehrer immer gesagt: Klappstulle, zusammenklappen und ab in den Papierkorb!“ Den Spaß am Ausprobieren lässt sich die Lebenskünstlerin jedenfalls nicht nehmen – dazu ist Erika Rußwinkel-Schulz viel zu neugierig, welche Potenziale sie bei den verschiedenen Farben und Materialien durch ihre Gedanken, ihre Hände und die oft überbordende Freude am Tun freisetzen kann.

Beeindruckend breites Spektrum

Ein Blick auf das beeindruckend breite Spektrum ihrer Arbeiten lohnt sich in jedem Fall. Das Advena Hotel Hohenzollern in Osnabrück präsentiert eine Dauerausstellung ihrer Werke. Auf der Insel Greetsiel findet man die farbenprächtigen Gemälde und grazilen Radierungen von Erika Rußwinkel-Schulz ebenso wie in den Gemeinden Belm, Wallenhorst, Westerkappeln und Bissendorf. Wer neugierig geworden ist, kann unter www.atelier-russwinkel-schulz.de einen digitalen Blick in das Atelier der produktiven Allrounderin aus Belm werfen.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 20.10.2016)