Als Mathis den Frühling in die Erde pflanzte

Der sechsjährige Mathis aus Osterberg erklärt mir, wie man die Blumenzwiebeln richtig in die Erde setzt. Foto: Ulrike Havermeyer

Wer nicht im Stimmungstief der dunkeln Jahreszeit versinken will, muss raus an die frische Luft und einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen. Die Osterberger halten sich an diesen Grundsatz, setzen auf Gemeinschaft und Engagement – und laden zu einer Pflanzaktion ein.

Nebel. Nieselregen. Fade Gedanken. Das Herbstlaub verdrießt in muffigem Grau an den Ästen. Mehr November geht wirklich nicht. Wie gut, dass Mathis sich von der Lethargie der Jahreszeit nicht abschrecken lässt: Der sechsjährige Osterberger hat seine Gartenhandschuhe angezogen und pflanzt mit fröhlichem Eifer den Frühling in den Boden. Und weil es – Westerbeck hin, Klausberg her – bei der Mitmach-Aktion der Lotteraner keine (kommunalen) Grenzen gibt, beteilige auch ich als Westerkappelnerin mich am Einsatz der ambitionierten Gartenfreunde aus der Nachbargemeinde und lasse mich bereitwillig von ihrem Tatendrang infizieren. Während  Mathis und seine Mitstreiter vom Verein „Wir für Osterberg“ behutsam Zwiebel um Zwiebel unter die Grasnarbe betten, regt sich auch in mir die Vorfreude auf ein buntes, duftendes und blütenreiches Frühjahr 2018.

2000 Blumenzwiebeln für den Klausberg

„Am besten, Du nimmst gleich ein paar Zwiebeln mehr – guck mal: so“, gibt der pfiffige Grundschüler mir wertvolle Tipps und zeigt ganz genau, wie die Sache mit dem Pflanzen funktioniert: In jeden der Spatenstiche, mit denen Dieter Paesler, Burkhard Herr und Siegfried Schirmbeck die Grünstreifen rund um den Münsterplatz perforieren, setzen Mathis und ich einen Pulk von drei, vier oder fünf der tropfenförmigen Speicherorgane in die Krume.

Etwa zehn Zentimeter tief werden die Tulpen- und Narzissenzwiebeln in die Erde gesetzt.

Eine Ahnung von Gelb und Rot

Und auch, wenn unsere Finger immer klammer werden und die Nässe des Untergrunds längst den Stoff mancher derben Arbeitshose passiert hat und bis zu den Knien durchgedrungen ist, zeichnet sich auf unseren Gesichtern doch ein zufriedenes Lächeln ab: Schließlich schlummern in den etwa 2000 Blumenzwiebeln, die dem Verein über das Ortsmarketing von der Gemeinde geschenkt worden sind, nicht nur verheißungsvoll die künftigen Pflanzen, sondern zusammen mit ihnen auch ihr betörender Duft und die frischen Farben des Frühlings: leuchtendes Gelb und feuriges Rot.

Vom Münsterplatz in Richtung Hopfengarten

Langsam arbeiten wir uns vom Münsterplatz in Richtung Hopfengarten vor. Während Horst Marsch und Mathis‘ Opa, Gotthard Frömberg, die Nachhut bilden und das Gras über den Zwiebeln vorsichtig mit den Füßen feststapfen, erläutert Siegfried Schirmbeck der Truppe bereits den weiteren Gestaltungsplan: Im Bereich der Sitzecke, dort wo der Jubiläumsstein auf „750 Jahre Osterberg“ verweist, sollen im kommenden März nicht nur die gelben Tupfen der Narzissen das Grün aufmuntern, sondern auch jede Menge rote Tulpen aus der Erde sprießen. „Da drüben am Hang haben wir vor ein paar Jahren Krokusse gepflanzt“, berichtet Schirmbeck und deutet auf die gegenüberliegende Straßenseite hin. „Und natürlich auch da und an der unteren Kreuzung: Narzissen.“

„Da steckt viel Arbeit drin“

Ja, man müsse schon einiges leisten, beteuert das Osterberger Urgestein, damit die Umgebung hübsch aussehe – und hübsch bleibe: „Da steckt viel Arbeit drin“, sagt Schirmbeck und freut sich, dass sich außer ihm auch noch so viele Andere hier einbringen. Inzwischen sind auch die Frauen, die sich bis eben noch um das Beet an der Haltestelle gekümmert haben, am Hopfengarten eingetroffen und helfen mit: Ursula Paesler, Erika Marsch, Doris Schirmbeck, Sabine Behrmann und: „Das ist meine Oma“, stellt Mathis vor und lächelt Renate Fortmeyer vergnügt an.

Tipps einer gestandenen Gartenfreundin

Kurze Zeit später, als ich mich ein wenig mit der gestandenen Lotteranerin unterhalten habe, hege ich denn auch keinerlei Zweifel mehr, von wem Mathis seine gärtnerischen Kompetenzen vermittelt bekommen hat. Auch für mich hat Renate Fortmeyer noch eine wertvolle Empfehlung parat: Egal ob man Tulpen oder Krokusse, Hyazinthen oder Schneeglöckchen setzt – man sollte jeweils auch ein paar Narzissenzwiebeln dazulegen, denn: „Wühlmäuse mögen keine Narzissen“, sagt Mathis‘ Oma – und wer das berücksichtige, könne sich die Schutzkörbe aus Gitterdraht um die für viele Nager so verführerisch nahrhaften Blumenzwiebeln sparen. Mathis und ich haben Renate Fortmeyer aufmerksam zugehört und nicken einander entschlossen zu: Auch diese Information werden wir dem Fundus unseres grünen Wissens sorgsam hinzufügen.

Versöhnliche Novemberdämmerung

Bevor ich wieder gen Westerkappeln aufbreche, lasse ich meinen Blick noch einmal über den verhangenen Klausberg schweifen, dessen mittlerweile trübe Silhouette mit dem diesigen Licht der Novemberdämmerung verschwimmt. Was doch für ein erfreulicher Anblick – zumindest für diejenigen mit den nassen Knien und den dicken Humusbröckchen unter den Fingernägeln, die wissen, was für ein florales Versprechen hier unter der Erde döst und nur darauf wartet, von den Strahlen einer gar nicht mehr so fernen Frühlingssonne wachgekitzelt zu werden.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 16.11.2017)