Hand- und pfotenfeste Tipps für den Notfall

Mit professionellem Gleichmut lässt DRK-Rettungshund Doktor Watson das Anlegen eines Kopfverbandes über sich ergehen. Fotos (5): Ulrike Havermeyer

Nicht nur für Tierhalter ist der Kurs „Erste Hilfe am Hund“ spannend: Was ist zu tun, wenn man als Ersthelfer in einer Unfallsituation auf einen verletzten Vierbeiner trifft? Erstmals hat das DRK Tecklenburger Land jetzt einen Lehrgang angeboten.

Worauf muss ich beim Anlegen eines Pfotenverbandes achten? Was mache ich, wenn meine Fellnase etwas Giftiges oder Vergiftetes gefressen hat? Wie stelle ich als Ersthelfer einen aggressiven Hund ruhig, der seinen verunfallten Menschen verteidigt? Es gibt wenige Tage in meinem Leben, die ich ohne Hund verbracht – aber überraschend viele Fragen, die ich mir dennoch nie gestellt habe. Und um es gleich vorweg zu sagen: Genau wie die anderen Teilnehmer des ausgebuchten Erste-Hilfe-Kurses hoffe ich, dass ich die praktischen Lösungen für all diese Sorgen und Nöte niemals anzuwenden brauche. Aber: Ich kenne sie jetzt. Und das ist tatsächlich ein angenehm beruhigendes Gefühl – nicht nur für mich, sondern hoffentlich auch für Sally, unsere Familienhündin.

Die Drei von der DRK-Rettungshundegruppe Tecklenburger Land erklären, wie’s geht: Oliver Littke, Doktor Watson und Maria Schrameyer.

„Spürt ihr das feine Pochen…?“

„Und – fühlt ihr was?“ Kursleiter Oliver Littke von der Rettungshundegruppe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Tecklenburger Land – Ausbilder sowohl für Rettungshunde als auch für Rettungshundeführer sowie, neben seiner Vereinskollegin Petra Janßen, zurzeit einer von nur zwei Erste-Hilfe-am-Hund-Ausbilder des DRK in Nordrhein-Westfalen – beobachtet aufmerksam, wie einer nach dem anderen von uns vorsichtig mit seinen Fingerspitzen an der schwarz behaarten Innenseite von Doktor Watsons Oberschenkel herumtastet. „In der leichten Vertiefung zwischen den beiden großen Muskeln, da wo die Hauptschlagader verläuft, müsstet ihr es spüren: ein feines Pochen…“ Während Doktor Watson etwas pikiert auf der Stelle trippelt, lässt er die Tortur doch mit bewundernswerter Beherrschung über sich ergehen.

Unregelmäßiger Puls? Völlig normal!

Als offizieller Hilfsausbilder und geprüfter Rettungshund weiß der siebenjährige Labradorrüde offenbar, dass er hier im Dienste der guten Sache befummelt wird: Denn Zweibeiner, die außer gelernt zu haben, an welcher Stelle sie den Puls eines Hundes ertasten können, auch noch wissen, dass dieser im Normalzustand bei kleinen Hunden zwischen 80 und 120, bei großen zwischen 60 und 80 Schlägen pro Minute liegt, können sich im Ernstfall um das Leben von Watsons Artgenossen verdient machen. „Bei Hunden ist ein unregelmäßiger Puls übrigens völlig normal“, gibt uns Oliver Littke der Vollständigkeit halber noch mit auf den Weg. Ein schwacher, schneller Puls könne dagegen auf Schock oder Überhitzung hindeuten – dann sollte das Tier schnellstens zum Tierarzt gebracht werden.

Ein gutes Gefühl, wenn man als Hundehalter schon mal geübt hat, was im Notfall zu tun ist.

Akribischer Bodycheck bei Doktor Watson

Nachdem Littke Watsons Nase untersucht, seine Schnauze inklusive Lefzen, Zähne und Rachen überprüft hat, die Ohren – von außen und innen – kritisch unter die Lupe genommen, die Pfoten abgetastet, die Beine gestreckt und sämtliche Gelenke in ihnen bewegt und Wirbelsäule, Rippen, Brustkorb und Rute vorsichtig abgestrichen hat, wirft der geduldige Labrador seinem Herrchen einen hypnotischen Dackelblick zu: „Endlich Feierabend? Geht’s jetzt bitte ab nach Hause ins Körbchen?“, scheinen seine wässrigen Augen sehnsuchtsvoll zu fragen. Oliver Littke grinst seinen Vierbeiner an und schüttelt amüsiert den Kopf. Nein, lieber Watson – noch ist der routinemäßige Bodycheck, den alle Hundehalter beherrschen – und an den alle Vierbeiner gewöhnt sein sollten, nicht beendet.

Jede Menge spannende Lektionen

Und außerdem warten bei der Premiere des neuen Kursangebotes, das das DRK Tecklenburger Land in den Räumen des Ortsvereins Ibbenbüren ab Januar 2018 einmal im Monat anbietet, noch jede Menge weitere Lektionen, die Oliver Littke den wissbegierigen Kursteilnehmern vermitteln will. Manche in der Theorie (Haftungsrecht, Tierarztindikationen, Notfallapotheke), andere am Hunde-Dummy (Lebensrettende Soforthilfemaßnahmen, Reanimation), etliche an putzigen Plüschtieren (Maulschlinge, Kopfverband, Schocklage) – doch das meiste demonstriert der 47-jährige DRK-Ausbilder an seinem rettungserprobten Assistenten Watson (Anlegen des Maulkorbs; Überprüfung der Vitalfunktionen: Temperatur-, Puls-, Atem- und Schleimhautkontrolle). Doktor Watsons Bezahlung erfolgt umgehend in harter Leckerli-Währung – und überzeugt den Vierbeiner schließlich vollends, sich an jeder noch ausstehenden Übungsstunde nicht nur pflichtschuldig, sondern mit sichtlicher Begeisterung zu beteiligen.

Die Finger wundgeschrieben? Therese Tenspolde legt mir einen Pfotenverband an.

Solide gerüstet für den Ernstfall

Das Pensum des vierstündig angelegten Kurses ist beachtlich, und mein Notizheft füllt sich Seite um Seite mit hand- und pfotenfesten Ratschlägen für den Ernstfall. Als Herausforderung der Prioritätsstufe eins nehme ich mit nach Hause, Routine beim Bodycheck zu entwickeln. Dabei gebe ich mich allerdings erst gar nicht der Illusion hin, dass meine hibbelige Hündin sich auch nur als annähernd so kooperativ erweisen wird wie der distinguierte Doktor Watson. Allerdings ist Sally eine mindestens so leidenschaftliche Naschkatze wie Oliver Littkes vorbildlicher Rettungslabrador. Ich übrigens auch. Also lautet der Plan: Ein Leckerli fürs Stillhalten (für Sally). Und fürs Ertasten des Pulses einen Schokokeks (für mich)…

Informationen über die Lehrgänge des DRK Tecklenburger Land  zu Erster-Hilfe-am-Hund sowie weitere Termine unter www.drk-kv-tecklenburg.de oder unter Telefon 05451/59020.

Oliver Littke demonstriert den Einsatz einer Halskrause, die verhindern soll, dass der Hund sich einen angelegten Verband abknabbert.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 01.11.2017)