Die Kunst des Improvisierens

Zum Nachtisch einen leckeren Pistazienpudding? Das Team um Kantinenchefin Angelika Eich serviert den Mitarbeitern der Firma Elster Kromschröder täglich drei verschiedene Hauptgerichte samt diversen Beilagen sowie ein köstliches Dessert. Foto: Ulrike Havermeyer
Zum Nachtisch einen leckeren Pistazienpudding? Das Team um Kantinenchefin Angelika Eich serviert den Mitarbeitern der Firma Elster Kromschröder täglich drei verschiedene Hauptgerichte samt diversen Beilagen sowie ein köstliches Dessert. Foto: Ulrike Havermeyer

Gebratene Putenbruststreifen mit Champignons, Frühlingszwiebeln und Creme fraiche. Dazu Ofenkartoffeln. Kräutersauce Provence über Lammhacksteak mit Gnocchi und Prinzessböhnchen. Vegetarisch belegte Pizzaschnitte mit Salaten der Saison: Rund Zweihundert Portionen Mittagessen auf den Punkt serviert. Bestehend aus drei unterschiedlichen Hauptgerichten und diversen Beilagen. Frische Zutaten. Frisch zubereitet, versteht sich. Ach ja – das Dessert nicht zu vergessen. Das ganz besonders nicht: Für den – an diesem Tag ausnahmsweise etwas klumpig geratenen – Pistazienpudding bin schließlich ich verantwortlich. So ganz zufrieden ist Küchenchefin Angelika Eich mit dem Ergebnis meiner Mühen denn auch noch nicht. Wenn gleich um zwölf Uhr in der Kantine des Unternehmens Elster Kromschröder in Lotte das Mittagessen ausgegeben wird, muss alles perfekt sein. Während es bei mir also noch nicht so wirklich rund läuft mit der Küchenarbeit, geht das Team von Kantinenbetreiber Harald Fautz aus Osnabrück gleichermaßen versiert wie entspannt seiner werktäglichen Routine nach.

„Bitte noch ein paar Minuten rühren“

Angelika Eich gießt noch etwas frische Vollmilch in meinen süßen Nachtisch und nickt mir aufmunternd zu: „Bitte noch ein paar Minuten rühren.“ Ich reibe mir verstohlen den rechten Bizeps, um ersten Verkrampfungen vorzubeugen – dann pflüge ich mit dem Schneebesen beharrlich weiter durch die zartgrüne und erstaunliche dichte Masse. Wie das meiste hier, ist auch der Pudding heute früh frisch gekocht worden. Meine Aufgabe besteht darin, die in ihrem großen Bottich erstarrte Speise aufzurühren und in gläserne Portionsschüsselchen abzufüllen. Ohne Klumpen.

Darf‘ s noch ein halbes Brötchen mehr sein?

Um 5.30 Uhr hat Angelika Eich die Kantine für die Mitarbeiter der Firma Elster Kromschröder an diesem Morgen aufgeschlossen. „Dann scharrt die Nachtschicht schon mit den Hufen“, sagt sie augenzwinkernd. Sie und ihr Team – Maria Prinz, Oxana Gumberg, Anke Hesselbrock und Karin Dünhölter – haben zu diesem Zeitpunkt längst den Tresen mit einem üppigen Frühstück bestückt: Die frisch vom Bäcker gelieferten Weizen-, Laugen- und Körnerbrötchen sind mit Aufschnitt und Käse belegt, mit Tomaten, Ei und Gürkchen hübsch dekoriert. Mal gibt es Rührei dazu. Mal Spiegelei. Außerdem Joghurt. Obst. Salat. Im Laufe des Vormittags zudem noch Kuchen – auch der natürlich: frisch vom Konditor.

Paprika schnippeln und Champignons anbraten

„Ich war heute Morgen als erste um halb vier hier“, erzählt mir Maria Prinz, während sie beständig die in der Kippbratpfanne vor sich hin brutzelnden Gnocchis wendet. Sie habe dann schon mal die Paprika, Zucchini und Champignons für den vegetarischen Pizzabelag geschnippelt und angebraten. Die Eier für das Frühstücksbuffet gekocht. Und die Zutaten für die Salatbar zusammengestellt. Während ich den Schneebesen von der rechten in die linke Hand verlagere, huscht Oxana Gumbach mit einem Stapel Pizzaböden, die aus der Fautzschen Zentralküche angeliefert worden sind, an mir vorbei. Anke Hesselbrock wischt ein weiteres Mal durch den Gastraum und rückt Stühle und Tische zurecht. Angelika Eich trägt die delikat duftenden Hacksteaks vom „Konvektomaten“, einer Art multifunktionalem Zauberofen, Richtung „Bain-Marie“, dem Warmhaltewagen im Verkaufsraum – und wirft einen zwar milden, aber noch immer kritischen Blick auf meinen Pistazienpudding: „Etwas noch.“ Schon klar.

Wo bitte bleibt das Dessert?

Sind genügend Teller vorhanden? Wie steht es um das Besteck? Wann muss die Pizza aus dem Konvektomaten genommen werden? Der Zeiger der Küchenuhr strebt dem Zenit entgegen. Die Bain-Marie und die Salatbar sind gefüllt, der Verkaufsraum einladend hergerichtet, die Küchenutensilien gespült, die Arbeitsflächen und der Boden tipp topp gereinigt – nur in dem kleinen Kühlregal am Tresen herrscht vorwurfsvolle Leere: Wo bitte bleibt das Dessert? Doch alles Rühren und selbst meine stillen Beschwörungen helfen nichts: Ich kriege diese blöden, inzwischen zum Glück ziemlich winzigen Bröckchen einfach nicht weg. Was wird bloß Angelika Eich dazu sagen? „Na ja“, seufzt sie mit einem nachsichtigen Blick auf die gastronomische Misere. Das sei eben genau wie zu Hause: „Manchmal klappt es nicht so, wie man es gerne hätte. Dann muss man improvisieren.“ Zu meinen Pistazienklümpchen reicht die Kantinenchefin heute somit eine extra große Portion Schokoladenstreusel.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 15.04.2015; Westfälische Nachrihten, 15.04.2015)