Auf dem Weg nach oben

Sobald die Knospe des Spargels den künstlichen Damm aus Erde durchbricht, wird der Trieb von Matthias Löbke und seinen Mitarbeitern geerntet. Foto: Ulrike Havermeyer
Sobald die Knospe des Spargels den künstlichen Damm aus Erde durchbricht, wird der Trieb von Matthias Löbke und seinen Mitarbeitern geerntet. Foto: Ulrike Havermeyer

Dank der beständig steigenden Temperaturen ist die diesjährige Spargelsaison eröffnet. Wir nutzen die Gelegenheit und sehen Matthias Löbke bei der Ernte auf seiner Anbaufläche in Westerkappeln über die Schulter, oder besser gesagt: auf das Stechmesser.

Leichte Böden und viel Sonne

Dass das königliche Gemüse, das besonders gut in leichten, sandigen und von möglichst viel Sonne beschienenen Böden gedeiht, auch in der Gemeinde Westerkappeln angebaut wird, ist mir bisher völlig entgangen. Doch die schwarze Folie, die sich wie eine riesige Decke in sanften Buckeln über den Acker legt, lässt keinen Zweifel: Der Spargel hat die Bauernschaft Osterbeck erreicht. „Wir haben diese Kultur vor vier Jahren angelegt“, berichtet Matthias Löbke und blickt über den rund sechs Hektar großen Acker. „Seitdem ernten wir regelmäßig Spargel aus Westerkappeln.“ Der studierte Gartenbauer betreibt gemeinsam mit seinen Eltern Werner und Marianne Löbke und seinem Bruder Tobias den Obst- und Gemüsehof Löbke in Ibbenbüren. Der Großteil ihrer Spargelfelder liegt in der Gemeinde Riesenbeck.

Der lange Weg ans Licht

Steigen die Temperaturen über zehn Grad, beginnt die Arbeit auf den Spargelfeldern. Dann schießen die weißen Stängel durch das Erdreich – so, wie es sich für eine Pflanze gehört: immer der Sonne entgegen. Damit die köstlichen Triebe ihr Ziel aber nicht vor der Zeit erreichen, ihr bleiches Wachstum einstellen und stattdessen grüne Laubblätter ausbilden, verlängern die Spargelbauern dem Gemüse den Weg ans Licht durch einen Trick: „Im zeitigen Frühjahr fräsen wir einen zirka 35 Zentimeter hoher Damm aus Erde über den Pflanzen auf“, berichtet der 30-jährige Ibbenbürener. Ein Umweg für den Spargel, eine Zugewinn für den Gaumen.

Maschinelle Unterstützung

Sobald sich die ersten Knospen durch die Oberkante des Damms schieben, ist das das Startzeichen für die aus Rumänien angereisten landwirtschaftlichen Saisonarbeiter, ihr Stechmesser zu zücken. Allerdings, stelle ich leicht irritiert fest, ist auf dem Spargelacker in Osterbeck kein Erntehelfer zu sehen. „Weil das Wetter eher kühl ist, ernten wir zurzeit nur jeden zweiten Tag“, klärt Löbke mich auf. Dennoch stiefeln wir los, um der schlanken Delikatesse einen Besuch abzustatten. Während beim Einsatz der fünfköpfigen Kolonne eine Maschine dafür sorgt, dass die Plane von den Dämmen entfernt und später wieder aufgezogen wird, zerrt Juniorchef Löbke die Folie per Hand zur Seite.

Mit Stechmesser und Glättkelle

Wir haben Glück: Durch die Erdkrume blitzt es zartweiß auf. Mit zwei Fingern legt der Gartenbauer den oberen Teil des Stängels frei, dann setzt er – schön parallel – das Stechmesser an und drückt es etwa 35 Zentimeter in den Boden. „Nicht zu dicht an die Pflanze, damit sie nicht beschädigt wird“, kommentiert er, „aber auch nicht zu weit entfernt, damit die nachschiebenden Triebe verschont bleiben.“ Ein kleiner Ruck – und wir können den Spargel aus der Erde ziehen. Das entstandene Loch muss nun noch sorgfältig mit der Glättkelle wieder verschlossen werden.

„Das geht in den Rücken“

Wenn das Wetter und die Temperaturen stimmen, rechnen die Löbkes mit rund sechs Tonnen Spargel pro Hektar. Jeder Damm wird dafür jeden Tag kontrolliert und abgeerntet. „Und auch, wenn inzwischen Maschinen die Folie bewegen und die Spargelstangen zum Ende des Damms transportieren, geht das Stechen doch ganz schön in den Rücken“, weiß Matthias Löbke um die Strapazen der Ernte. „Unsere Arbeiter erhalten dafür den gesetzlichen Mindestlohn.“ Die Familie Löbke baut übrigens schon seit dreißig Jahren Spargel an. „Die erste Kultur hat mein Vater am Tag meiner Geburt gepflanzt“, schmunzelt Matthias Löbke. Kein Wunder also, dass der Junior den ersten Spargel der Saison mindestens so gern auf seinem Teller begrüßt wie ich.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 04.05.2016; Westfälische Nachrichten, 04.05.2016)