Spanischer Gruß auf westfälischem Hügel

Spanischer Gruß auf westfälischem Hügel: Luise und ihre Stute Ronja (rechts) führen Kunststücke vor. Und auch Corina und Ariane verfügen über ein beachtliches Repertoire an Tricks. Foto: Ulrike Havermeyer
Gute Aussichten für Pferdefreundinnen: Luise und ihre Stute Ronja (rechts) führen auf ihrem Lieblingsplatz, einem Erdhaufen, der ihnen als Podest dient, Kunststücke vor. Und auch Corina und Ariane verfügen über ein beachtliches Repertoire an Tricks. Foto: Ulrike Havermeyer

Sanftes Geklacker hallt durch die Frühlingsluft. Auf acht Hufen schreiten Ronja und Ariane, die beiden Pferdedamen, hinter Luise (13 Jahre) und Corina (16) her. Das Ziel des Quartetts: Ihr Lieblingsplatz auf Luises elterlichem Hof in Westerbeck.

Klack, klack, klack …

Kräftig bei Stimme schmettert ein Zaunkönig seinen Gesang aus der hohen Birke heraus, die mitten auf der weitläufigen Rasenfläche gleich neben der Pferdekoppel wächst. Klack. Klack. Klack. Luise und Corina führen ihre folgsamen Gefährten an dem grünen Idyll vorbei. Nein, der Garten ist nicht der Lieblingsplatz des bunt gemischten Gespanns. Jedenfalls nicht der aktuelle. Auch das Wohnhaus und das hölzerne Spielhaus auf Stelzen, in dem Luise und ihre drei jüngeren Brüder große Teile ihrer Kindheit verbracht haben, lassen sie hinter sich. Luise blickt Corina kurz an und grinst. Die beiden Mädchen machen es spannend. Es geht weiter die gepflasterte Einfahrt entlang – klack, klack, klack – und über die steinerne Gasse, die durch den Rinderstall des landwirtschaftlichen Betriebs führt. Stroh raschelt. Die halbwüchsigen Kälber lassen sich beim Wiederkäuen nicht stören und blicken nur gelangweilt von ihrer Mahlzeit auf: Sie haben sich wohl längst an die Karawane, die da regelmäßig durch ihr Reich zuckelt, gewöhnt.

Vorbei an Mais und Rindern

Klack, klack, klack – raus aus dem Rinderstall und in einem weiten Bogen um den riesigen Berg aus Maissilage auf der noch riesigeren Betonplatte herum. Schließlich verstummt das Klackern: endlich weiches Gelände unter den Hufen und den Reitstiefeletten. Über einen sandigen Feldweg trottet die Gruppe gemächlich bis zur hinteren Weide. „Und jetzt bloß noch da rauf“, lüftet Luise das Geheimnis um den gemeinsamen Lieblingsplatz der zwei Pferdefreundinnen und ihrer beiden Freundinnenpferde, indem sie auf einen stattlichen Erdhaufen am Rande der Parzelle deutet: eine grasbewachsene, trittsichere Aussichtsplattform.

Die Taschen voller Leckerlis

Ohne zu zögern wuchten sich Ronja und Ariane hinter ihren Chefinnen hügelan. Kein Wunder, denn die beiden Jugendlichen haben nicht nur die Taschen voller Leckerlis, sondern auch jede Menge Pferdeverstand unter dem Pony. „Ich kenne Ronja bestimmt schon, seit ich in den Kindergarten gegangen bin“, erzählt Luise und streichelt ihrer Rappstute die Stirn. Und auch Ariane und Corina blicken auf mehr als zehn gemeinsame Jahre zurück. Zusammen mit ihren Artgenossen Peppy, Pippi, July und Lotti verbringen die Pferdedamen ihre Tage in der Offenstallhaltung auf dem Hof von Luises Eltern in der Nähe des Mittellandkanals in Westerbeck.

Das Glück der Erde

Apropos Kanal: Stellt das lauschige Gewässer womöglich einen Kandidaten für einen weiteren Lieblingsplatz dar? Luise und Corina nicken: „Da entlang reiten wir öfter mal aus“, berichten sie über ihr ganz persönliches Glück auf Erden. Aber neben der Reiterei verbindet die vier Gestalten dort auf dem Hügel noch etwas anderes – und das führen sie denn auch unverzüglich und weithin sichtbar vor: Mit dezenten Gesten, leisen Kommandos und einem unerschöpflichen Vorrat an lobenden Worten haben die beiden Mädchen ihren Stuten Kunststücke beigebracht, oder wie die Fachfrau sagt: zirzensische Bodenarbeit trainiert. Hebt Luise ihr rechtes Bein, macht Ronja es ihr nach. „Das nennt man einen spanischen Gruß“, erklärt die 13-Jährige. Der kommt auf dem Erdpodest natürlich besonders gut zur Geltung. Für die anderen Showeffekte müssen die Vier ihren Lieblingsplatz dann allerdings doch wieder verlassen: Denn um angemessen demonstrieren zu können, wie Ronja und Ariane ihre Hufe in einem raumgreifenden spanischen Schritt durch die Luft wirbeln, braucht es einen soliden Untergrund. Und was wäre da besser geeignet, als die heimische Arena aus Pflaster und Beton? Klack! Klack! Klack!
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 06.04.2016; Westfälische Nachrichten, 06.04.2016)