Schweinerei im Wohnzimmer

Gutes Personal ist schwer zu bekommen: Hängebauchschwein Lissy lässt sich von Birgit Laumann-Stening mit einem Stückchen Apfel verwöhnen. Foto: Ulrike Havermeyer
Gutes Personal ist schwer zu bekommen: Hängebauchschwein Lissy lässt sich von Birgit Laumann-Stening mit einem Stückchen Apfel verwöhnen. Foto: Ulrike Havermeyer

Gutes Personal ist schwer zu bekommen. Doch Zwerg-Hängebauchschwein-Dame Lissy hat Glück: Mit Birgit und Martin Laumann-Stening hat sie ein Paar Zweibeiner gefunden, das sich rührend um sie kümmert und das beständig um ihr Wohlergehen bemüht ist.

Lissy hat eigene Pläne

Ursprünglich war der rund tausend Quadratmeter große Garten neben dem Stening‘schen Eigenheim im Zentrum von Westerkappeln samt zugehörigem Wetterhäuschen für das opulente Borstenvieh vorgesehen – aber Lissy, das eigenwillige Charakterschwein, hatte andere Pläne: Sie erklärte kurzerhand das komplette Erdgeschoss der Wohnung zu ihrem Lebensmittelpunkt – und nutzt seitdem das Außengelände höchstens noch für meditative Spaziergänge.

„Absolut stubenrein“

Dem vehementen Charme ihres Haustiers konnten sich die Stenings nicht entziehen – also richteten sie dem Paarhufer einen aus zwei hölzernen Kompostkisten gestalteten Schlafplatz in einer abgelegenen Ecke des Wohnzimmers ein. „Schweine sind nicht nur sehr intelligente Tiere“, betont Birgit Laumann-Stening, „sondern auch überaus saubere: Lissy hat sich als absolut stubenrein erwiesen.“ Ihre kleinen und großen Geschäfte erledigt die Sau mit akribischer Gewissenhaftigkeit im Garten. Den Weg dorthin durch die gläserne Terrassentür schiebt sie sich mit einer eleganten Bewegung ihrer derben Schnauze frei. Selbst, wer mit einem feinen Näschen gesegnet, die Räume an der Bahnhofstraße betritt, ahnt nichts von der ungewöhnlichen Gemeinschaft, die sich hier zusammengerottet hat.

Rubens’sche Schönheit mit Herz

Neben Birgit und Martin Laumann-Stening beschäftigt Lissy auch noch zwei Wachhunde: Fussel und Sanjo, ihres Zeichens Bolonka-Rüden. Allerdings: Stattlich wie Lissy inzwischen gewachsen ist – ihr Körper dürfte geschätzte 70 Kilo, Tendenz aufwärts, auf die Waage bringen – könnte die rubens’sche Schönheit die Verteidigung ihres Lieblingsplatzes auch selbst übernehmen. Kraft und Mut besitzt die Schweinedame schließlich reichlich – aber zum Glück auch ein gutmütiges Herz. „Wenn wir Besuch bekommen, zieht sich Lissy meistens irgendwann in ihren Stall zurück“, berichtet Birgit Laumann-Stening. „Bloß, wenn ich hier mal ganz in Ruhe mit meiner Tochter oder meiner besten Freundin zusammensitzen und erzählen möchte, wird sie eifersüchtig und stört uns dann ganz fürchterlich.“ – „Lissy kann unheimlich gut meckern“, schmunzelt der Hausherr: „Aber sie hat auch ihre kuscheligen Momente.“

Der Unterschied zwischen „Mini“ und „Mikro“

Als Lissy vor drei Jahren den Haushalt der Familie Laumann-Stening zu bereichern begann, war das junge Hängebauchferkel erst wenige Wochen alt und – man glaubt es kaum: etwa dackelgroß. „Nach einem halben Jahr haben wir gedacht: So, jetzt ist sie wohl ausgewachsen“, erinnern sich ihre Besitzer. War sie aber nicht. Längst noch nicht… „Man sollte niemals Mini- mit Mikro-Hängebauchschweinen verwechseln“, mahnt Lissys Frauchen jeden, der mit dem Gedanken spielt, sich ebenfalls einen derartigen Hausgenossen zuzulegen: „Mini-Hängebauchschweine können bis zu 140 Kilo schwer werden.“ – Das Ergebnis von drei Mahlzeiten aus Spezialnahrung pro Tag plus reichlich frische Äpfel. Ihre Lebenserwartung: um die 20 Jahre. „Außerdem sind die Tiere sehr sozial“, unterstreicht Birgit Laumann-Stening, „und dürfen niemals über längere Zeit alleine gelassen werden.“ Lissy hebt den hübschen Kopf und äugt aufmerksam zu ihrer Versorgerin hinüber. Das versteht sich ja wohl von selbst, scheint ihr Blick zu sagen – denn wer, bitte schön, sollte in einer menschenleeren Zeit das Anreichen von Obsthäppchen und das Kraulen der zarten Schwarte übernehmen?

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 28.10. 2015; Westfälische Nachrichten, 28.10. 2015)