Zu Besuch im Willi-Hellermann-Museum

Wie gut dass Reh, Schneehase, Auerhahn und Auerhenne nicht die Flucht ergreifen können: So brauchen sich Tom (rechts) und sein Freund Erik gar nicht erst anzuschleichen, um die Tiere aus nächster Nähe zu betrachten und die Fragen bei der Museums-Rallye zu beantworten. Fotos (9): Ulrike Havermeyer

Wer hätte geahnt, dass auf dem Werksgelände des Kohlekraftwerks in Ibbenbüren eine solche Artenvielfalt herrscht? Uhu und Rothirsch, Waldrapp und Wildschwein huschen allerdings nicht quickfidel zwischen Kühlturm und Kesselhaus herum, sondern sind als ausgestopfte Präparate in einem Nebengebäude der RWE zu bestaunen, dem 2012 eröffneten Willi-Hellermann-Museum. Dessen Geschichte ist mindestens so kurios wie seine Bewohner.

Um an Tierkadaver wie diesen seltenen Uhu zu kommen, hat Willi Hellermann eng mit Jägern, Zoos und Zuchtstationen zusammengearbeitet. Außerdem hat er regelmäßig Fahrradtouren unternommen, um die Straßenränder abzusuchen.

Mehr als 1500 Tierkörper hat Willi Hellermann, gelernter Schlosser – und leidenschaftlicher Autodidakt in Sachen Glasaugen und Holzwolle – im Laufe seines Lebens präpariert und in den diversen Kellerräumen seines Privathauses in Hagen am Teutoburger Wald gehortet. „Viel mehr“, sagt Wolfgang Pieper, lächelt anerkennend – und seufzt tief. Pieper, ehemaliger Vorsitzender der Kreisjägerschaft Steinfurt-Tecklenburg und heutiger Museumsdirektor, verbindet eine lange gemeinsame Zeit mit seinem inzwischen verstorbenen Jagdgenossen Willi Hellermann.

Auch das regelmäßige Abstauben der Präparate gehört zum ehrenamtlichen Einsatz von Wolfgang Pieper (links), Ulrich Steinmann und ihren Kollegen.

Noch zu Lebzeiten hatte Hellermann seine stattliche Sammlung von überwiegend heimischen Fell- und Federträgern der Kreisjägerschaft Steinfurt-Tecklenburg gestiftet. „Mit der Verpflichtung, alle Exponate der Öffentlichkeit zu präsentieren“, berichtet Pieper. „Wohlgemerkt: alle. Auch sämtliche Doubletten“, ergänzt Ulrich Steinmann, Leiter des Hegerings Lotte-Wersen, einem von insgesamt 25 Hegeringen, die zusammen die Kreisjägerschaft mit mehr als 3000 Mitgliedern bilden.

Nachdem sich der Deutsche Jagdverband den Rothirsch für seinen Stand auf der Grünen Woche im Januar 2020 in Berlin ausgeliehen hatte, ist das stattliche Exponat nun wieder in Ibbenbüren zu bestaunen.

Als Hellermann im August 2018 im Alter von 92 Jahren verstarb, kamen noch einmal um die 200 weitere Arbeiten aus seinem Nachlass dazu. „Ein einzigartiger Schatz“, wissen Pieper und Steinmann. Den zu hegen und zu pflegen sich allerdings als Ehre und Bürde zugleich entpuppte: Denn außer dem personellen Aufwand, den die Waidmänner ehrenamtlich unter sich aufteilen, sei es die größte Herausforderung gewesen, eine ausreichend große, für die empfindlichen Exponate zuträgliche und zudem auch noch erschwingliche Bleibe für die Sammlung zu finden. „Dass die Leitung des Kraftwerks uns eine Fläche von etwa 520 Quadratmetern im ehemaligen Baubüro überlassen hat und unser Museum außerdem auch noch sponsert, ist ein echter Glücksfall“, sagt Pieper.

Dieser junge Seehund ist in einer Aufzuchtstation gestorben und hat anschließend im Diorama „Küstenlandschaft“ ein neues Zuhause gefunden.

Alle vier Wochen – jeweils am ersten Sonntag eines Monats von 11 bis 17 Uhr – hat das Willi-Hellermann-Museum geöffnet. Und obwohl nur ein paar unscheinbare Hinweisschilder den Weg über das verschachtelte Werksgelände der RWE weisen, sind an diesem verregneten Nachmittag im Februar doch allerhand Besucher gekommen, um sich eine der ungewöhnlichsten Sammlungen im Kreis Steinfurt – und womöglich sogar darüber hinaus – anzusehen.

Nicht nur ein Exemplar, sondern sämtliche Präparate der jeweiligen Tierart müssen gezeigt werden. So hat es der Stifter verfügt.

Museumsdirektor Pieper wirft einen schnellen Blick auf den Parkplatz: „Da sind sogar Fahrzeuge aus Hamburg und Siegen dabei“, freut er sich über die überregionale Strahlkraft der in Ibbenbüren konservierten Diversität. Zu den ersten Gästen nach der Eröffnung des Hauses im April 2012 habe eine Gruppe aus Rheinland-Pfalz gezählt, erinnert er sich, die mit einem eigens angemieteten Bus bis nach Westfalen gereist sei. Manchmal, gesteht Pieper und schmunzelt tapfer über die eigenen Bedenken, beschleiche ihn das Gefühl, dass das Museum in der Ferne bekannter sei als im Tecklenburger Land selbst.

Nicht nur einheimische Tiere hat Willi Hellermann präpariert. Außer diesem Papagei findet man unter vielen anderen auch ein Känguru, ein Faultier und verschiedene Affen in der Ausstellung.

Zwischen simulierter Nordseeküste und Hochgebirgspanorama, Wänden voller Greifvögeln, Möwen und Enten, flanieren interessierte Senioren, wissbegierige Jugendliche und junge Familien. Während sich die meisten Naturfreunde viel Zeit lassen, um die liebevoll gestalteten Dioramen und Themenbereiche aufmerksam zu betrachten, flitzen Tom (4 Jahre) und Paul (2) eilig von Raum zu Raum: Wo hat sich denn bloß die Ente versteckt, die auch Suppe essen kann? Und vor allem: Wie heißt sie? Vater Björn Pötter aus Lotte hechtet seinem Nachwuchs hinterher und assistiert als Vorleser und Wissensvermittler bei der kurzweiligen Museums-Rallye. Schließlich ist er ein Jäger – und kennt sich aus. Auch mit Löffelenten.

In diesem unscheinbaren Gebäude befindet sich eine der ungewöhnlichsten Sammlungen im Kreis Steinfurt – und womöglich sogar darüber hinaus…

Neben Führungen und verschiedenen Museums-Rallyes für Kinder und Jugendliche bietet der „Förderkreis Lernort Natur Steinfurt“, der in Zusammenarbeit mit der Kreisjägerschaft das Willi-Hellermann-Museum, Schwarzer Weg 25, in Ibbenbüren betreibt, auch Termine außerhalb der regulären Öffnungzeiten an. Schulklassen, Vereine und andere Gruppen ab zehn Personen können bei Wolfgang Pieper unter Telefon 05454 386 Termine vereinbaren. Erwachsene zahlen drei, Jugendliche einen Euro. Für Kinder bis zehn Jahre ist der Eintritt frei. Gruppen erhalten Ermäßigung.

Das Porträt im Eingang erinnert an den Stifter der Sammlung: Mehr als 1700 Präparate hat Willi Hellermann (1925 bis 2018) in seinem Leben gestaltet.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 05. Februar 2020)