„Megageil!“ – Der längste Pumptrack in NRW

Auch spektakuläre Sprünge sind auf der 250 Meter langen Strecke möglich. Mathis Frische findet den Pumptrack einfach nur „megageil“. Fotos (4): Ulrike Havermeyer

Reichlich Bewegung an der frischen Luft. Ein harmonisches Miteinander aller Altersstufen. Leute kennenlernen. Spaß haben. Mit dem neuen Pumptrack – der größten Anlage ihrer Art in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, ist der Gemeinde Mettingen ein großer Wurf gelungen. Nur eine Frage bleibt: Was ist ein Pumptrack?

Mit geröteten Wangen und ziemlich aus der Puste legt Ingo Bitter sein BMX-Rad auf den Boden. Dann lässt sich der 45-jährige Kölner auf eine der Sitzbänke fallen. Erstmal ein Schluck aus der Trinkflasche, kurz verschnaufen – ein breites Grinsen legt sich auf sein Gesicht. So also sieht ein glücklicher Biker aus: Jede Pore atmet zufriedene Erschöpfung. „Großartig“, keucht Bitter und deutet auf die 250 Meter lange, asphaltierte Buckelpiste, die sich hinter ihm in gewagten Kurven und über mal mehr, mal weniger steile Hügel auf der Grünfläche neben dem Hallenbad schlängelt. „Großartig, dass Mettingen sich auf den Weg gemacht und diese herausragende Strecke angelegt hat. Eigentlich sollte es in jeder Stadt so etwas geben.“

Wenn der Vater mit dem Sohne… Paul (links) und Ingo Bitter sind extra aus Köln angereist, um die neue Strecke zu testen.

Zusammen mit seinem Sohn Paul ist Bitter eigens aus der Rheinmetropole angereist, um den erst vor wenigen Tagen freigegebenen Pumptrack in der Tüöttengemeinde zu testen. Erfahren hat der Lehrer für Sonderpädagogik davon über Facebook. „Solche Bahnen gibt es viel zu wenig“, sagt er und hat die Argumente auf seiner Seite: „Kinder, Jugendliche und Erwachsene treffen sich hier und lernen mit- und voneinander – sie fahren zusammen, nehmen Rücksicht aufeinander und die meisten von ihnen sind deutlich länger als eine Stunde draußen.“ Ganz zu schweigen von der Fitness und der Körperkoordination, die durch die erforderliche Fahrtechnik – Pumpen genannt – trainiert werden. Und was hält Sohn Paul vom Mettinger Track, über den an diesem Vormittag mehr als 30 Zweiradenthusiasten flitzen und springen? „Ich find‘s richtig gut“, sagt der Sechsjährige, rückt seinen Helm zurecht – und stürzt sich mit seinem Vater auch schon wieder ins Getümmel.

Zufriedene Initiatorin: Jessica Lübke hat die Gemeinde von der Idee des Pumptracks überzeugt.

Von einer Kuppe aus beobachtet Jessica Lübke das sportliche Treiben und nippt vergnügt an ihrem Milchkaffee – so also sieht eine glückliche Initiatorin aus: Aus jeder ihrer Poren strahlen Stolz und Ambitioniertheit um die Wette. „Als ich mit meiner Familie vor vier Jahren nach Mettingen gezogen bin, habe ich von dem Leader-Projekt zur Dorfentwicklung gehört“, erzählt die ehemalige Ibbenbürenerin: „Das Konzept für die Aufwertung der Gemeinde lautete: Leben von Null bis 99 in Mettingen.“ Da habe sie sofort gewusst, was der Ort  brauche, sagt Lübke, die auch selbst als Bikerin aktiv ist. Kurzerhand stellte sie den Kommunalpolitikern ihre Idee vor und weckte deren Interesse – bloß: Was genau ist ein Pumptrack? Die 46-Jährige schüttelt schmunzelnd den Kopf: „Ich weiß gar nicht, wie oft ich das in den vergangenen Jahren erklärt habe…“

Paradies für Biker: Eine 250 Meter lange Buckelpiste hat die Firma Pumptrack.de in Mettingen gebaut. Foto: Pumptrack.de/Konrad Willar

Bürgermeisterin Christina Rählmann wollte es genau wissen und stattete gemeinsam mit Jessica Lübke einem deutlich kleineren Pumptrack in Langenfeld bei Köln einen Besuch ab. Sie inhalierte den friedfertigen Spirit der Biker-Szene – und war auf der Stelle begeistert. Lübkes Idee wurde nicht nur zu einer Herzensangelegenheit, sondern gar zum Leuchtturmprojekt erklärt, das weit über die Grenzen der Gemeinde hinaus strahlen sollte. „Der Bau ist dann von allen Fraktionen im Rat einstimmig beschlossen worden“, freut sich Lübke über den uneingeschränkten Zuspruch. Die Kosten von 235.000 Euro für die Anlage hat zu 65 Prozent das Förderprogramm der Europäischen Union zur Entwicklung des ländlichen Raumes (Leader) übernommen.

„Weil es so viele Möglichkeiten gibt, wird es auch nie langweilig.“

Wer sich umblickt muss neidlos anerkennen, dass der Plan der Mettinger aufgegangen ist. Neben Paul und Ingo Bitter aus Köln geben sich an diesem Tag auch ein Team aus dem Harz sowie einige Biker aus Oldenburg zu erkennen. Auf einem gesonderten Kids-Parcours können die Jüngeren auf Bobbycars, Laufrädern und Rollern über sanfte Erhöhungen düsen und ihre Motorik verfeinern. Nebenan bietet die verschlungene Streckenführung des Rundkurses Mountainbike-, BMX- und Scooter-Fahrern, Inlineskatern oder Skateboardern jede Menge Variationen. „Weil es so viele Möglichkeiten gibt, wird es auch nie langweilig“, beschreibt Jessica Lübkes Sohn Leo (14 Jahre) die Faszination des Mettinger Pumptracks. Mathis Frische, der zwischen seinen spektakulären Sprüngen mit dem BMX-Rad eine kleine Pause einlegt, fasst sein Urteil noch knapper zusammen: „Megageil!“, befindet der 14-jährige Wersener.

Mit ein paar Freunden und in Kooperation mit dem Jugendkulturschuppen will Leo Lübke demnächst eine Arbeitsgruppe Pumptrack gründen und Interessierten die richtigen Fahrtechniken erklären.

Während die Biker die Herausforderungen der Strecke genießen oder in kleinen Grüppchen zusammenstehen und fachsimpeln, etliche Passanten das Geschehen interessiert beobachten und dabei miteinander ins Gespräch kommen, brütet Jessica Lübke längst weitere Pläne aus, wie ihre Wahlheimat noch attraktiver werden könnte: „Ich bin gerade mit dem Bund Deutscher Radfahrer im Gespräch“, berichtet sie. Schließlich gebe es derzeit noch keine Deutsche Meisterschaft im Pumptracken – aber dieses Manko könne möglicherweise bereits im kommenden Jahr behoben werden. Und falls ja, wo anders als in Mettingen könnte dieser Wettkampf idealerweise ausgetragen werden?

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 27. November 2019)