Bringt ein Delfin den Wirbelwind zur Ruhe?

Wenn Sarah zuhause in der Wohnung ist, tobt sie am liebsten in ihrer Nestschaukel herum. Foto: Ulrike Havermeyer

Man merkt es sofort – an ihrem wachen Blick, an ihrem offenen Lächeln: In der neunjährigen Sarah wirbeln Temperament und Lebensfreude munter durcheinander. An manchen Tagen passen so viel Energie und Bewegungsdrang einfach nicht hinein in einen einzigen Kinderkörper. Dann ist der Druck kaum auszuhalten…

Nicht nur für Sarah selbst, sondern auch für ihre zwei Brüder und ihre alleinerziehende Mutter. Eine Delfintherapie könnte Sarah helfen, zur Ruhe zu kommen, sagen ihre Ärzte und Betreuer, und die Familie entlasten. Doch dazu brauchen die Wichmanns aus Neuenkirchen 13.500 Euro. Sarahs Mutter Karin hat sich nun auf die Suche nach Sponsoren und Unterstützern für das Projekt gemacht.

Familienleben mit lilafarbenem Blitz

Viertel vor vier am Nachmittag – die Wohnzimmertür fliegt auf, ein lilafarbener Blitz schießt durch den Raum und landet zielsicher im Zentrum der Nestschaukel. Heftige Turbulenzen erschüttern den schwebenden Kokon. Der Blitz lacht laut auf. Karin Wichmann sieht ihre Tochter an: „Nicht ganz so wild bitte, Sarah“, versucht sie die Wucht der Ankunft – Sarah ist gerade aus der Paul-Moor-Förderschule aus Alfhausen zurückgebracht worden – ein wenig zu bremsen, „hast du schon gesehen, dass wir Besuch haben?“ Flupp – schon springt der Blitz mit präzisem Schwung aus dem Schaukelgerät, saust quer durchs Zimmer und streckt dem unbekannten Gast die Hand entgegen. Und da ist es dann: dieses offene Lächeln, dieser wache Blick.

„Unser Arzt hat das zunächst als Entwicklungsverzögerung diagnostiziert“

Dass ihre Tochter mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung braucht als andere Kinder, wollte Karin Wichmann lange Zeit nicht wahrhaben. „Sarahs Geburt ist völlig normal verlaufen“, erzählt die gelernte Hauswirtschafterin und stockt kurz, als ob sie in ihrer Erinnerung nach etwas Abweichendem, Unerwartetem suche. Aber nein, da ist nichts. Außer vielleicht, dass Sarah in den ersten Jahren für alles etwas länger gebraucht habe. Ein wenig mehr Zeit als die Gleichaltrigen, um Laufen zu lernen und um die ersten Wörter zu sprechen. „Unser Arzt hat das zunächst als Entwicklungsverzögerung diagnostiziert“, sagt Wichmann, „also habe ich meine Tochter entsprechend gefördert: Ergotherapie, Logotherapie, viel Sport.“ Und sie habe ganz sicher geglaubt: Das wächst sich schon heraus. Tat es aber nicht.

IQ-Test und genetische Analyse

Mit vier Jahren verordneten die Ärzte Sarah eine Reha im Sprachheilzentrum Werscherberg in Bissendorf. „Da hat man mir zum ersten Mal gesagt, dass Sarah anders sei als andere.“ Doch statt die geistige Beeinträchtigung ihrer Tochter zu akzeptieren, hoffte Karin Wichmann weiter auf so etwas wie Normalität: „Also: noch mehr Ergotherapie, noch mehr Logotherapie, noch mehr Sport…“ Heute schüttelt die 42-Jährige den Kopf über die eigene Uneinsichtigkeit. Als Sarah im Kindergarten dann eines Tages nur noch draufgehauen habe, war für sie schließlich der Punkt erreicht, an dem sich die Erkenntnis nicht länger zurückhalten ließ. Eine Untersuchung im Sozialpädiatrischen Zentrum des Kinderhospitals Osnabrück ergab, dass der IQ von Sarah deutlich reduziert war. Eine spätere genetische Analyse wies zudem auf einen Chromosomenschaden hin.

Kein Bedürfnis nach einer Pause

„Ich hole mal schnell meine Schleife“, klinkt sich der nimmermüde Wirbelwind mit herzlicher Begeisterung in die Unterhaltung ein, unterbricht für einen Moment sein Geschaukel und ist, kaum losgerannt, auch schon wieder da. Stolz fuchtelt Sarah mit ihrer goldenen Stofftrophäe herum – zusammen mit dem Team hat die Neunjährige beim Voltigierwettbewerb des örtlichen Reitervereins den ersten Preis gewonnen. „Prima, Sarah“, lobt Karin Wichmann und ermuntert ihre Tochter, noch ein paar andere Dinge aus ihrem Zimmer zu holen, an denen ihr etwas liege. „Sarah ist ein Bewegungsmensch“, sagt sie. Neben dem Voltigieren schwimme sie sehr gerne, sie fahre Inlineskates und sogar Fahrrad – und klar: Sarah schaukelt, was das Zeug hält. Ein Stoffäffchen im Arm, taucht sie auch schon wieder auf: „Wann gehen wir raus, Mama?“, fragt sie ungeduldig.

„Die Jungs müssen schon sehr viel Verständnis aufbringen und zurückstecken“

Weil es die Gefühle anderer Menschen nicht deuten und komplexe Situationen schwer einschätzen kann, sollte das quirlige Mädchen nicht unbeaufsichtigt aus dem Haus. Was angesichts der Tatsache, dass Karin Wichmann zurzeit eine Fortbildung zur Betreuungskraft für Senioren absolviert, die Dinge nicht eben einfacher macht. Da sind – noch häufiger als ohnehin – auch Sarahs Brüder Silvio (15 Jahre) und Luca (10 Jahre) gefordert. „Die Jungs müssen schon sehr viel Verständnis aufbringen und zurückstecken“, weiß Karin Wichmann. Eine Delfintherapie und deren lindernde Wirkung würde auch ihnen zugutekommen. „Ich hoffe darauf, dass die Therapie positiv anschlägt, sich dadurch mehr Lebensqualität für Sarah und die Jungs ergibt und unser Familienleben harmonischer verläuft“, benennt Karin Wichmann ihre Wünsche für die Zukunft.

Hilfe für Sarah

Für alle, die die Familie Wichmann bei ihren Bemühungen um eine Delfintherapie für Sarah auf der karibischen Insel Curacao unterstützen wollen, ist ein Spendenkonto bei der Organisation Dolphin Aid eingerichtet: Empfänger: dolphin aid e.V., Stadtsparkasse Düsseldorf; IBAN: DE52 3005 0110 0020 0024 24; Verwendungszweck: Spende für Sarah Sabine Wichmann. Weitere Infos auf www.facebook.com/karin.wichmann.315

(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 16. November 2019)