Wer den Bürgerbus lenkt, sollte die Bordsteinkante meiden

Bis der Bürgerbus Wallenhorst-Wersen offiziell seinen Dienst auf der Linie 515 aufnimmt, heißt es für Claus Sprengelmeyer (von links), Michael Reinemund , Dorothee Hoffmann, Heiner Fiedeldey und Klaus Schmitz: Üben, Üben, Üben. Fotos (5): Ulrike Havermeyer

Bald wird er zum ganz normalen Dorfbild gehören: Am 11. Juni 2019 nimmt der feuerrote Bürgerbus, der das niedersächsische Wallenhorst mit dem nordrhein-westfälischen Lotte verbindet, seinen Dienst auf der Linie 515 Wallenhorst-Wersen auf.

Die Wege innerhalb der Gemeinden und zwischen ihren Ortsteilen dürften dann – für Anwohner ohne Führerschein: leichter, und für diejenigen mit eigenem Pkw: umweltfreundlicher – zu bewältigen sein. Außerdem wird das Überqueren der Landesgrenze nun auch in einem öffentlichen Nahverkehrsmittel zu einem Katzensprung. Die Wallenhorster erhalten dank Bürgerbus vor allem eine bequeme Anbindung an die Nord-West-Bahn, die vom Halener Bahnhof in Richtung Osnabrück, Bremen und Wilhelmshaven fährt. Die Lotteraner wiederum können die Einkaufsmöglichkeiten und andere Angebote in ihrer Nachbarkommune nutzen. Der Fahrpreis für Erwachsene beträgt pro Fahrt einen Euro, Kinder ab sechs Jahren zahlen 50 Cent. Schwerbehinderte werden kostenlos befördert, ebenso Schüler mit gültigem Schülerticket.

Entspannte Atmosphäre: Bis zu acht Mitfahrer können sich in dem großzügig ausgelegten Fiat Ducato über die Landesgrenze kutschieren lassen.

Zu seiner Jungfernfahrt startet der Bürgerbus am Dienstag, 11. Juni 2019, um 7.57 Uhr ab Wallenhorst Rathaus über Lechtingen, Rulle, Hollage, Halen und trifft um 9.22 Uhr an der Endstation Wersen Rathaus ein. Von dort aus geht es um 9.32 Uhr wieder zurück über Halen, Hollage, Wallenhorst, Lechtingen und Rulle bis zum Rathaus Wallenhorst (10.52 Uhr). Jeweils zwei Touren am Vor- und weitere zwei Touren am Nachmittag bietet der Verein Bürgerbus Wallenhorst-Wersen montags bis freitags in Abstimmung mit der Verkehrsgemeinschaft Osnabrück und dem Weser-Ems-Bus an. Doch bis es soweit ist und sich der auf acht Fahrgäste ausgelegte Fiat-Ducato offiziell auf die Piste begibt, heißt es für die derzeit 19 ehrenamtlichen Fahrer: Üben, Üben, Üben – und immer an die Bordsteinkante denken!

Vom Bürgerbus begeistert: Der Halener Pensionär Klaus Schmitz ist einer von derzeit 19 Fahrern.

Klaus Schmitz blickt in den Spiegel, setzt den Blinker und geht mit der Geschwindigkeit herunter. „Hier bitte ganz besonders sachte fahren“, schaltet sich Heiner Fiedeldey ins Geschehen ein und beugt sich von seinem Sitz in der ersten Reihe in Richtung Fahrer vor: „Langsamer – noch langsamer! Gut ausholen jetzt – siehst du die Zaunpfähle?“ Schmitz – der 66-jährige Halener, ehemaliger Finanzbeamter und im Besitz eines Lkw-Führerscheins – lächelt entspannt und zirkelt den 6,35 Meter langen Diesel souverän in die spitzwinkelige Einmündung. Seine Mitfahrer – Dorothee Hoffmann, Claus Sprengelmeyer und Michael Reinemund – nicken anerkennend. Während Schmitz wie die Ruhe selbst wirkt, ist Fahrdienstleiter Fiedeldey in ständiger Alarmbereitschaft. „Bitte achtet darauf, im Kreisel nicht zu dicht an die Bordsteinkante zu fahren“, gibt er weitere Hinweise, „und wenn es auf der Brücke in Halen zu eng wird, weil euch ein Lkw entgegenkommt – dann: runter vom Gas!“

Am Tag der offiziellen Einweihung des Bürgerbusses verstecken Dorothee Hoffmann und ihre Vereinskollegen 82 Überraschungseier an den 82 Haltestellen, die unter anderem mit Gutscheinen und Eintrittskarten gefüllt sind.

Auf den 28 Kilometern Hin- und den, hier und da vom Streckenverlauf leicht abweichenden, 28 Kilometern Rückfahrt, die zwischen Wallenhorst und Wersen liegen und von insgesamt 82 Haltestellen gesäumt werden, gebe es „etliche markante Stellen“, wie Fiedeldey die Knackpunkte der Linie 515 beschreibt: enggeschnittene Kurven, unübersichtliche Straßenführungen und immer wieder Baustellen; aber genauso auch Falschparker und rücksichtslose Fahrer. „Man erlebt ja so Einiges…“, schüttelt der Wallenhorster den Kopf, „die kommen da manchmal einfach angeschossen, gucken nicht nach links oder rechts, beachten die Vorfahrtsregeln nicht und schnippeln die Kurven.“ Da sei es besonders wichtig für die Bürgerbusfahrer, dass sie die Strecke ganz genau kennen, das Fahrzeug beherrschen und mit den Abläufen – vom Kassieren des Fahrgeldes bis zum Ausklappen der Rampe und dem Sichern eines Rollstuhls – vertraut seien.

Fahrdienstleiter Heiner Fiedeldey demonstriert das Ausklappen der Rampe.

Deshalb scheucht Fiedeldey seine Mitfahrer zwischendurch auch immer wieder aus dem Bürgerbus heraus: „Wir simulieren jetzt mal das Einsteigen“, fordert er Dorothee Hoffmann, Claus Sprengelmeyer und Michael Reinemund auf. „Wer will das Kind sein? Und wer der Rollstuhlfahrer?“ Für Klaus Schmitz, der an diesem Vormittag seine zweite Übungsfahrt absolviert, ist das alles schon beinahe Routine. Und auch als er seinen Platz hinter dem Lenkrad schließlich mit Michael Reinemund (Lkw-Fahrer) und der wiederum später mit Claus Sprengelmeyer (Wohnmobilist) tauscht, bleibt der Reisekomfort unverändert hoch. Sehr zur Freude von Dorothee Hoffmann (hat keine Erfahrung mit großen Fahrzeugen, ist aber begeisterte Bürgerbusfahrerin) und Heiner Fiedeldey, der mittlerweile deutlich gelassener als noch zu Beginn – und mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht – die Fahrt im feuerroten Bürgerbus genießt.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 05.06.2019)