Als Gitte Hænning einem Quakenbrücker Koch in die Töpfe lugte

Manfred Kestel, ehemaliger Küchenchef, erinnert sich daran, als er 1969 für Gitte Haenning beim Dreh eines ZDF-Films im Hotel Intercontinental in Hannover gekocht hat. Foto: Ulrike Havermeyer

Wenn Gitte Hænning im Juni 2019 beim Musiksommer Artland einen beschwingten Rückblick auf „Meine Freunde, meine Helden, Ihre Gitte“ wirft, wird einer ihrer Weggenossen, der vor 50 Jahren wie ein markanter, aber flüchtiger Duft die Bahn der Dänin kreuzte, gebannt im Publikum auf dem Hof Sickmann in Badbergen sitzen: Der Wahlquakenbrücker und ehemalige Sterne-Koch Manfred Kestel erinnert sich noch gut daran, wie er gleich an seinem ersten Arbeitstag im Jahre 1969 als Sous Chef im Hotel Intercontinental in Hannover der jungen aufstrebenden Künstlerin flambierte Crêpes Suzette mit Orange zubereitet hat – und das vor laufender Kamera!

Künstlertreffen: Manfred Kestel schlägt sein betagtes Fotoalbum auf und deutet auf eine großformatige Schwarz-Weiß-Aufnahme: Ein hochgewachsener Mann mit imposanter Kochmütze geht freundlich lächelnd und hinter glänzendem Küchenequipment seinem Handwerk nach. Neben ihm steht die junge Gitte Hænning und assistiert ihm beim Abschmecken des Menüs. „Gitte logierte damals im Interconti und drehte für das Zweite Deutsche Fernsehen einen kleinen Film, um ihren Hit ,Ganz oder gar nicht‘ bekannt zu machen“, erinnert sich der heute 83-Jährige. Die Musikerin habe sich sehr interessiert gezeigt, was da in seinen Töpfen passiere, erzählt Kestel und fügt schmunzelnd hinzu: „Gegessen hat sie allerdings nichts – sie hat die ganze Zeit nur gesungen…“

Internationalität: Zwar sind sich die Künstlerin und der in Potsdam geborene Küchenmeister seit dem kulinarischen Intermezzo im Intercontinental nicht wieder begegnet, doch weisen ihre Lebenswege erstaunliche Parallelen auf: Denn genau wie Gitte, die sich in einem Interview in der Neuen Osnabrücker Zeitung vor acht Jahren als „reisende Kosmopolitin“ bezeichnete und internationales Renommee genießt, ist auch Kestel durch seinen Beruf weit herumgekommen: Seine Küchenkünste führten ihn unter anderem an die Herde der großen Gourmettempel in die Schweiz, nach London, in den Nahen Osten nach Beirut oder ins südindische Bangladesh.

Stars und Sternchen: Während die ambitionierte Chansonnette in den 1960er- und 70er-Jahren mit namhaften Branchengrößen wie Peter Alexander, Rex Gildo, Peter Weck oder Grete Weiser auf der Bühne oder vor der Kamera stand, hatte es der mittlerweile in seinem Metier hoch dekorierte Manfred Kestel mit nicht weniger interessanten Menschen und bedeutenden Persönlichkeiten zu tun: Er bekochte unter anderem Anneliese Rothenberger, Heinz Rühmann und Roberto Blanco, aber auch den damaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson, den deutschen Bundespräsidenten Karl Heinrich Lübke oder Haile Selassie, den letzten Kaiser von Abessinien.

Leben mit der und für die Musik: Nicht zuletzt verbindet die Liebe zur Musik die Biografien der Sangeskünstlerin und des Kochkünstlers: Inspiriert von ihrem Vater, dem Gesangslehrer Otto Johansson, kam Gitte Hænning von klein auf mit der Musik in Berührung und mauserte sich konsequent vom beliebten Kinderstar zu einer ernsthaften und vielfach preisgekrönten, international beachteten Sängerin und Interpretin. Auch in den jungen Jahren von Manfred Kestel dominierten die schönen Töne – und schnell packte ihn die Faszination für die klassischen Werke, als er seiner Mutter beim Klavierspielen lauschte. „Nach meiner Pensionierung bin ich dann gleich in den Philharmonischen Chor Quakenbrück eingetreten, in dem ich auch jetzt noch singe“, berichtet er. Außerdem hat Kestel Anfang der 2000er-Jahre mit Unterstützung von Catalin Ilea, Professor an der Universität der Künste in Berlin, die „Quakenbrücker Meisterkurse für Musik“ ins Leben gerufen, bei denen Nachwuchsmusiker aus aller Welt miteinander arbeiteten. „Eine wunderbare Zeit“, schwärmt er.

Das Wiedersehen: Nun also dürfte es am 22. Juni beim Konzert von Gitte Hænning auf dem Hof Sickmann in Badbergen zu einem Wiedersehen der Sängerin und des Küchenchefs kommen. „Die Karten für meine Frau und mich habe ich schon gekauft“, sagt der Stammkunde des Artländer Musiksommers. „Wir sind gespannt auf Gittes Ausstrahlung, auf ihre Stimme – und natürlich auf die Lieder, die sie auswählt“, freut sich Doris Kestel. Sie und ihr Mann werden den Auftritt auf jeden Fall entspannt und in vollen Zügen genießen: Denn anders als vor 50 Jahren im Interconti, wird dieses Mal Gitte Hænning ein buntes Buffet der Köstlichkeiten auftischen – allerdings nicht für den Gaumen, sondern für die Ohren!

(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 14.04.2019)