Wenn Jetpiloten es richtig krachen lassen

Ein Kampfflugzeug durchbricht die Schallmauer. Auch wenn es toll aussieht: Das Weiße ist nicht etwa das Loch in der Schallmauer, sondern die „Wolkenscheibe“ aus kondensierten Wassertröpfchen an der Stoßwelle.Foto: US Navy/John Gay
Ein Kampfflugzeug durchbricht die Schallmauer. Auch wenn es toll aussieht: Das Weiße ist nicht etwa das Loch in der Schallmauer, sondern die „Wolkenscheibe“ aus kondensierten Wassertröpfchen an der Stoßwelle.Foto: US Navy/John Gay

Es donnert vom Himmel, nur von Gewitter keine Spur: Vor 30 Jahren wusste jedes Kind, was das bedeutet. Ein Jet durchbricht die Schallmauer. Heute fliegen die Maschinen kaum noch über bewohntem Gebiet. Kein Wunder also, dass ein Überschallflug in der Region Osnabrück und im Emsland für Besorgnis sorgte. Ein Erklärstück für Jet-Unbedarfte.

Bumm. Wenn die Piloten im Eurofighter den Schubhebel in Richtung mehr Schub bewegen, lassen sie umgerechnet bis zu 156.000 Pferdestärken von der Leine. Kurze Zeit später durchbricht der Jet auf dem Weg zur Höchstgeschwindigkeit die Schallmauer. Und das ist in weitem Umkreis deutlich zu hören.

Das Wort „Knall“ trifft es dabei zumindest physikalisch nicht ganz genau: An Spitze und Heck des Jets entstehen bei einem Überschallflug kegelförmige Stoßwellen , die wie Schleppen mitgezogen werden. Dort, wo die Druckwelle gerade den Boden berührt, knallt es. Bei großen oder weit entfernten Fliegern hört man beide Stoßwellen auch als Doppelknall.

Diesen Überschallknall bescheren die Kampfjets der Bundesluftwaffe oder der Natopartner heute allerdings in Deutschland nur noch selten. Vor 30 oder 40 Jahren dagegen verdrehten Kinder fast reflexartig nach einem Knall den Kopf in Richtung Himmel, um dann wild darüber spekulieren, ob es eine Phantom oder eine Mirage sei. Oder einer der schnell selten gewordenen Starfighter-“Witwenmacher“. Oder vielleicht sogar irgendeine amerikanische F-sonstwas, mit der die Piloten – meist waren wenigstens zwei Flieger am Himmel – es im wörtlichen Sinne richtig krachen ließen. Oft, aber nicht immer, half bei der Flugzeugbestimmung ein Blick in das Flugzeug-Quartett. Oder ein Besuch im nächsten Spielwarenladen, um die realen Flieger mit den bunten Bildern auf den Revell- und Airfix-Plastikmodellbaukästen abzugleichen.

Nach der Wiedervereinigung hätte man natürlich auch noch die russische MIG 29 mit in die Überlegungen einbeziehen müssen. Der Bundeswehr hatte die russischen Überflieger von der NVA übernommen und sie bis 2004 auch geflogen. Der eher kantige Tornado war ohnehin ab Mitte der 80er Jahre leicht zu erkennen.

Knallt es heute, weil ein Jet die Schallmauer durchbricht, greifen die Bundesbürger dagegen eher zum Telefon oder posten es auf Facebook: „Hallo NOZ, was war das denn gerade für ein lauter Knall???“- Ähmm, ja, ein Überschallknall, jenes Geräusch, das entsteht, wenn ein Flugzeug die Schallmauer durchbricht. Nach dem kurzen Höhenflug der zivilen britisch-französischen Concorde und der russischen Tupolev Tu-144 kommen dafür heute wohl nur noch Kampfjets in Frage.

Der ist allerdings in der Tat nur noch selten zu hören. Die Zahl der Überschallflüge habe deutlich abgenommen, erläutert Oberstleutnant Kai Gudenoge, Leiter des Sachgebiets Pressearbeit der Luftwaffe. Zum einen durch die Reduzierung der Streitkräfte in den vergangenen Jahren, zum anderen durch eine Verlegung der Übungsflüge ins Ausland. Kurz: Die Luftwaffe fliegt weniger als noch zu Starfighterzeiten. In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich die Zahl der Inlandsflüge um rund 70 Prozent reduziert.

Sie fliegt allerdings nicht im rechtsfreien Raum. Auch für die Jetpiloten gelten die Vorgaben des Luftverkehrsgesetzes, wenn auch mit einigen Sonderregelungen: „Die Bundeswehr, die Bundespolizei, die Polizei sowie die aufgrund völkerrechtlicher Verträge in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen dürfen von den Vorschriften des Ersten Abschnitts dieses Gesetzes […] abweichen; soweit dies zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist“, heißt es im Paragrafen 30. So sind zum Beispiel die einzuhaltenden Abstände zu oder Mindestflughöhen über größeren Städten oder auch Kernkraftwerken oder zivilen Flughäfen vorgegeben.

Auch Tiefflieger dürfen in Deutschland nicht einfach beliebig tief abtauchen. 1997 wurde die Mindestflughöhe auf 300 Meter angehoben. Soll es ausnahmsweise auch mal unter 1000 Fuß, also diese rund 300 Meter, gehen, müssen diese Übungen besonders beantragt und auch genehmigt werden. Überschallflüge sind nur über 36.000 Fuß, also rund 10.800 Meter gestattet. Weit zu hören ist der Knall trotzdem. Der entstehende Schallkegel ist in einem Radius von rund 40 Kilometern zu hören. Ach ja, mit Jets geflogen wird im Normalfall nur von montags bis freitags von 8 und 12.30 und 14 bis 20 Uhr.

Ob die Piloten diese Vorgaben angesichts der „grenzenlosen Freiheit“ über den Wolken manchmal einfach – nennen wir es – vergessen? Wohl kaum: Die Luftwaffe weiß jederzeit deutlich mehr darüber, wo und wie und wie schnell ihre Piloten in der Luft unterwegs sind als das redlich bemühte OS-Team über Falschparker in Osnabrück.

Möglicherweise ist Norddeutschland vom militärischen Fluglärm aber etwas stärker betroffen als andere Regionen: Schließlich ist die „ Nordhorn-Range “ mit 2300 Hektar das größte Übungsgelände der Luftwaffe in der Bundesrepublik. Für 2012 wären dort 190 Flugtage möglich gewesen, für 134 Tage wurden Einsätze geplant, an 75 Tagen wurde dann tatsächlich auch geflogen. Am FMO ist auch in schlechten Zeiten vermutlich deutlich mehr los …

Natürlich würden ab und an auch Schäden durch den Überschallknall gemeldet, erläutert Gudenoge. Die seien aber eher selten. Möglicherweise zählte auch das Bad Rothenfelder Gradierwerk zu den „Flug-Schäden.“ Sicher ist: Das Alte Gradierwerk stürzte am 17. Juli 1989 auf 20 Metern ein, unmittelbar, nachdem es von vier Jets überflogen wurde.

Aber was sind schon Überschallknall und Tiefflug? Vor knapp 45 Jahren landeten und starteten die Fiat G91-Jagdbomber des in Husum stationierten Leichten Kampfgeschwaders 41 auf der zum Notlandeplatz umgebauten A1 zwischen Lengerich und Ladbergen. Überschallknalle hat es dabei aber nicht gegeben: Dafür war die Fiat mit nur gut 850 km/h schlicht zu langsam.

Und ein weiteres Mal werden die Flieger dort wohl nicht landen: Der rund 2100 Meter lange Autobahn-Behelfslandeplatz wurde im Oktober 2006 zurückgebaut.

(Erschienen am 10. April 2013 auf noz.de)