Ati Atze – der Meister der Improvisation

Atila Samulski ist seit Jahren Chef des Animationsteams am Alfsee in Rieste. Foto: Johannes Kapitza

Ati kann aus Luftballons lustige Tierchen formen. Darin hält er sogar den Weltrekord. In echt. Ati kann jonglieren. Jedenfalls ein bisschen. Solange aus drei Apfelsinen nicht vier werden. Die Zauberkunst beherrscht Ati wie kaum ein anderer, indem er Bonbons aus dem Nichts herausschöpft und Tische zum Schweben bringt. Er singt, er moderiert, er denkt sich spannende Spiele aus. Und er stolpert über seinen Koffer. Aber wirklich: jedes Mal! Immer, wenn er die Bühne betritt: Zack – liegt er da! Und alle lachen. Sehr schön. Genau so soll es sein.

Seit mehr als 20 Jahren ist Atila Samulski als Clown Ati Atze unterwegs und versteht es als solcher, sein Publikum immer wieder neu zu verblüffen, zu erheitern und anzurühren. Am Alfsee bei Rieste leitet der gebürtige Wipperfürther schon seit Jahren das Animationsteam und unterhält die großen und kleinen Urlaubsgäste mit seinen Späßen und Mitmachprogrammen.

Ein bunter Hund am Alfsee

„Hallo, Ati, wie geht’s?“ – „Hey, Ati, siehst gut aus!“ – „Huhu, Ati, klasse Show gestern!“ Wenn Ati über das Gelände rund um den Alfsee spaziert, bleibt das nicht unbemerkt. Damit müssen bunte Hunde wie er eben leben. Berufsrisiko? „Nee“, freut sich Atila Samulski. „Das ist doch schön. Mir macht das Spaß – und die Leute sind glücklich.“ Der Alfsee, der sei längst zu einem zweiten Zuhause für ihn geworden, sagt Ati. „Geschäftsführer Anton Harms schafft hier wunderbare Bedingungen für uns.“ Viele der Urlauber verbringen nicht zum ersten Mal ihre Ferien in dem Erholungs- und Freizeitpark und besuchen daher das Bühnenprogramm von Clown Ati und seinem Team schon seit mehreren Saisons. „Stammkunden zu unterhalten“, sinniert Ati, „das ist eine spezielle Herausforderung. Wir wollen ja niemanden langweilen.“

Der Koffer ist das Ziel…

Dutzende von Variationen hat er inzwischen erfunden, besagtem Koffer zu begegnen: Springen vorwärts, Fallen rückwärts, Ausweichmanöver im Hüpfen, im Slalom dran vorbei, das Ding mit demonstrativer Ignoranz strafen. „Aber die Leute wollen mich stolpern sehen“, schüttelt er lachend den Kopf. „Wenn ich was anderes mache, dann kommen sie nach der Show zu mir und fragen ganz enttäuscht, warum ich denn um Himmels willen gar nicht über den Koffer gefallen sei.“

Fingerspitzengefühl statt Vorbereitung

Über jenes Fingerspitzengefühl, das einer braucht, der richtig dicht dran an seinem Gegenüber sein und unmittelbar auf dessen Bedürfnisse reagieren will, verfügt Clown Ati reichlich – auch, wenn ihm die vierte Apfelsine beim Jonglieren einfach nicht gehorchen will. Was sein Publikum braucht, spürt er jedoch sofort. Einen Zaubertrick, eine akrobatische Einlage, ein melancholisches Lied – wenn der 42-Jährige die Bühne betritt, ist er auf alles vorbereitet. Oder, besser gesagt: auf gar nichts. Dazu improvisiert er einfach viel zu gern.

Immer eine Idee im Kopf

„Natürlich hab ich verschiedene Programme einstudiert, habe meine Utensilien dabei und eine Idee im Kopf, wie es laufen könnte“, erklärt er. „Aber was ich in der jeweiligen Show dann tatsächlich spielen werde, das ergibt sich meistens spontan.“ Vielleicht ruft ein Kind ihm etwas zu, worauf er eingehen will. Oder er hat erfahren, dass jemand im Publikum sitzt, der Geburtstag hat oder nach einer langen Krankheit endlich wieder genesen ist. So etwas findet er wichtig und macht es dann umso lieber zum Thema. Ati ist seinen Gästen gern nah. Holt sie auf die Bühne. Hört ihnen zu. Ist für jeden guten Spaß zu haben.

„Das sollte nur ein Gag sein“

Als er sich vor ungefähr 25 Jahren das erste Mal als Clown geschminkt hat, wollte er eigentlich bloß seine kleine Schwester Sandy zu ihrem Geburtstag überraschen. „Das sollte nur ein Gag sein“, erinnert sich Atila Samulski. „Ich habe mich einfach bunt angemalt, ein paar Scherze gemacht und während der Feier mit den Kindern herumgealbert.“ Ein Nachbar wurde auf die ausgelassene Stimmung aufmerksam und fragte an, ob Atila das Gleiche nicht auch auf dem Geburtstag der Nachbarskinder veranstalten könne.

Am Anfang stand die blanke Panik

Und so kam der Zug ins Rollen. Auftritte bei anderen Familien und im örtlichen Einkaufszentrum folgten. Atila Samulski schmunzelt und kann es im Nachhinein kaum glauben: „Das war vollkommen verrückt damals – ich hatte überhaupt kein Programm.“ Keine Ahnung vom Jonglieren. Keine Zaubertricks. Keine einstudierten Effekte. „Mein allererstes Bühnenprogramm ist in blanker Panik entstanden“, erzählt er. „Auf der 20-minütigen Fahrt zu einem Kindergarten.“

Die Wahrheit geht immer

Aber schon damals war er offenbar ein Meister der Improvisation. „Ich habe einfach gespielt, dass ich gar nichts kann.“ Die Wahrheit also. „Von den Kindern habe ich mir dann zeigen lassen, was die so draufhatten, und versucht, es ihnen nachzumachen.“ Dieses Spontane und Grundehrliche kam sofort an: Sich die eigenen Schwächen zunutze machen und das komisch-tröstliche Potenzial, das in ihnen schlummert, herauskitzeln. Der Clown als Lebenskünstler. Als Verbündeter in den nicht ganz so glorreichen Momenten des Daseins.

Das Parkplatz-Desaster

Einige Jahre und diverse Professionalisierungsstufen später – Samulski hatte mittlerweile seinen Beruf als Einsatzleiter einer Detektei zugunsten des freien Künstlertums aufgegeben – musste er an einem Tag mehrere Auftritte in verschiedenen Städten absolvieren. Längst gastierte er nicht mehr nur in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden, Österreich und Polen. Auf irgendeinem Parkplatz hinter irgendeinem Spielort vergaß er in der Hektik des Geschehens, die komplette Bühnenausstattung in den Kofferraum seines Wagens zu verladen und brauste ohne ein einziges Requisit von dannen. „Ein Albtraum!“, ruft er beim bloßen Gedanken an den Fauxpas.

Ein Sprung ins kalte Wasser

Was tun? Die nächste Show abzusagen kam nicht infrage. Also blieb ihm nur der Sprung ins kalte Wasser der Ungewissheit – und als Rettungsring einmal mehr das eigene Improvisationstalent. Was hat er gespielt? „Natürlich einen Clown, der alle seine Sachen vergessen hat“, grinst er schelmisch. Das Publikum, seufzt Samulski erleichtert, habe viel Spaß gehabt.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 08.06.2013)