Wie man sich ein Stückchen Torte redlich verdient

Entweder ganz entspannt oder mit sportlichem Ehrgeiz lässt sich der Gesundheitspfad in Bad Rothenfelde erwandern. Fotos (4): Ulrike Havermeyer

Während ich in seliges Chillen vertieft auf dem Sofa liege und den neusten Band meiner Lieblingskrimireihe verschlinge, stuppst eine feuchte Hundenase energisch gegen meine Knie: Mittagsruhe hin, unaufgeklärte Verbrechen her – Sally, unsere Labradorhündin, muss dringend mal raus! Schicksalsergeben klappe ich das Buch zu und tätschel der blasenschwachen Fellnase die Stirn: Immerhin erfüllt unsere Rudelgenossin ja bloß gewissenhaft eine ihrer vornehmsten Aufgaben: Sie soll uns in Bewegung und also fit halten.

Und weil – genau wie der tatendurstige Vierbeiner – auch meine fidele Tochter den sonntäglichen Stand-by-Modus der Familie nur allzu gerne gegen eine zünftige Expedition in unentdeckte Gefilde eintauscht, haben wir uns für heute vorgenommen, statt der bewährten Einmal-um-den-Block-Tour sowohl landschaftliches wie auch konditionelles Neuland anzusteuern. Mein Hund, meine Tochter und ich begeben uns zu einem Mädels-Ausflug auf den Gesundheitspfad Wanderherz nach Bad Rothenfelde.

Betretbare Wellness-Oase, die es in sich hat: der Gesundheitspfad in Bad Rothenfelde.

Die Seele baumeln lassen

Die Orientierungskarte einstecken, Sonnencreme auftragen, eine Flasche Wasser im Rucksack verstauen – und los geht es in den Kleinen Berg unmittelbar am nordwestlichen Rande des Kurparks. Der Gesundheitspfad, gibt uns Sabine Leclercq-Schulte von der Kur und Touristik Bad Rothenfelde mit auf den Weg, erkläre sich beim Erwandern von selbst. Einfach den violetten Hinweisschildern folgen – und je nach Lust und Laune entweder abschalten, die Seele baumeln lassen und die eindrucksvolle Kulisse des Teutoburger Waldes genießen, oder dem eigenen sportlichen Ehrgeiz frönen, Kalorien verbrennen, den Kreislauf trainieren und sich eine wohlverdiente kulinarische Belohnung erarbeiten.

Kuchen im Kopf

Während Sally bereits am Streckenstart demonstrativ hechelnd zu Variante eins tendiert, scheuen meine Tochter und ich die körperliche Herausforderung nicht und marschieren strammen Schrittes dem Stückchen Erdbeertorte entgegen, dessen Abbild sich Höhenmeter für Höhenmeter mit zunehmender Detailfreude in unseren Köpfen bildet. Über uns das schattenspendende Blätterdach der Rotbuchen, neben uns ein grüner Teppich aus Gräsern, Kräutern und Gebüsch: Waldmeister, Giersch, Goldnesseln. Rotkehlchen, Schwarzdrosseln und Buchfinken schmettern ihren Gesang durch die Botanik.

Zwei- und Vierbeiner wirken entschlossen der Dehydrierung entgegen.

Wenn es in den Waden zwickt

„Also ich find‘s schön hier – gut, dass wir mal was Neues ausprobieren“, kann meine Vierzehnjährige unserem kleinen Abenteuer Einiges abgewinnen. Die Wanderkarte in der Hand, macht sie sich leichtfüßig joggend auf die Suche nach dem nächsten Hinweisschild. „Oh, hier wird’s sogar noch ein bisschen steiler!“, verkündet sie fröhlich aus der Ferne. Der Labrador wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Ja, zugegeben – auch meine Waden können nicht länger ignorieren, dass der 4,5 Kilometer lange Pfad, der sich so einladend sanft den Berg hinaufzuwinden schien, es in sich hat. In Gedanken verfeinere ich meine Portion Erdbeerkuchen entschlossen mit einer sündhaft üppigen Schicht cremigster Schlagsahne … köstlich!

Herausforderung: der 23,18 Meter hohe Aussichtsturm Am Lüdenstein.

Der Dehydrierung entgegenwirken

Auf einer der Ruhebänke, die in regelmäßigen Abständen entlang der Strecke aufgestellt sind, legen wir nach ungefähr einer Stunde die erste Pause ein. Der Dehydrierung entgegenwirken, bemerkt meine Tochter und versorgt sich und den Vierbeiner mit Flüssigkeit. Aus den Augenwinkeln registriere ich, dass sich auch ihre Wangen inzwischen zart gerötet haben. Den nächsten Teil des Rundweges gehen wir gemächlicher an. Lauschen den Geräuschen des Waldes. Atmen durch. Kommen angeregt plaudernd von Hölzken auf Stöcksken. Sally schlendert, dankbar mit der Rute wedelnd, lässig neben uns her. Als dann aber mit einem Mal – und von uns gar nicht einkalkuliert – der Aussichtsturm Am Lüdenstein, Höhe: 23,18 Meter, vor uns auftaucht, gibt es kein Erbarmen mehr: „Los, Mama – wenn schon, denn schon!“ Spricht‘s und stürmt die Stufen hinauf. Sallys Augen weiten sich unheilschwanend. Nein, keine Bange, mein Hund, du bekommst einen Kauknochen und darfst dich am Fuße der Treppe ausruhen. Ich aber gebe noch einmal alles und zeige dem beneidenswert agilen Nachwuchs, was auch ein Kreislauf in den besten Jahren noch alles zu leisten imstande ist.

Die nächste Aufgabe wartet schon

Als ich einigermaßen aus der Puste geraten die obere Plattform erreiche, grinst meine Tochter mich amüsiert an: „Statt einer Tasse Kaffee solltest du dir gleich ruhig einen großen Cappuccino gönnen.“ Ja, seufze ich und gebe mich ganz dieser befriedigenden Mischung aus wohliger Erschöpfung und tiefer Zufriedenheit hin, die meinen Körper durchströmt – das werde ich auch tun. Denn angesichts der Aussicht, dass auf dem heimischen Sofa ja noch immer ein fieser Verbrecher auf mich wartet, den es zu überführen gilt, muss ich dringend meine Energiereserven wieder auffüllen.

Die unendliche Leichtigkeit des Seins: Über den Wipfeln des Teutoburger Waldes, nachdem die vielen, vielen, vielen Stufen des Aussichtsturms erklommen sind…

(Erschienen 07/2017 auf https://blog.osnabruecker-land.de)