Das Schaf gehört ins Tor

Aufgepasst auf das schwarze Schaf! Ob seine Herde nun aus wiederkäuenden Vierbeinern oder folgsamen Gymnastikbällen besteht, ist Hütehund Dylan ziemlich egal. Foto: Ulrike Havermeyer
Aufgepasst auf das schwarze Schaf! Ob seine Herde nun aus wiederkäuenden Vierbeinern oder folgsamen Gymnastikbällen besteht, ist Hütehund Dylan ziemlich egal. Foto: Ulrike Havermeyer

Da, wo die Herde ist, ist immer auch der Lieblingsplatz von Anja Mitchell, Vorsitzende der Hundefreunde Lengerich, und ihrem Vierbeiner Dylan. Die Westerkappelnerin und ihr aufgeweckter Border Collie Rüde sind zweifache Deutsche Meister im Treibball.

Ziemlich dick ist es, das schwarze Schaf von Anja Mitchell und ihrem Hund Dylan. Und runder geht’s nun wirklich nicht mehr. Ach ja, fast vergessen: Das folgsame Herdentier hat überdies kein einziges Bein – und muss regelmäßig aufgepumpt werden. Aber: Es lässt sich einfach hervorragend hüten. Genauer gesagt: zielgerecht an der Nase herumführen. Und darum geht es Anja Mitchell und Dylan, dem temperamentvollen Border Collie Rüden, dem der ausgeprägte Instinkt, eine Herde zusammenzuhalten, in die Welpenbox gelegt worden ist. Um was für eine Art von Herde es sich dabei handelt, ist dem vierjährigen Dylan ziemlich egal.

Ein Hüte-Champion in Aktion

Er und sein Frauchen haben sich bereits zwei Mal in Folge, 2015 und 2016, den Titel der Deutschen Meister im Treibball erkämpft – und da kommt endlich auch das seltsame schwarze Schaf wieder ins Spiel. Denn das pralle Lamm ist natürlich kein echtes Schaf, aber es funktioniert wie eines. Zumindest aus der Sicht von Energiebündel Dylan. Der pralle Gymnastikball, um den es sich hier tatsächlich handelt, unterwirft sich nämlich folgsam den Plänen des Hüte-Champions: Die elastische Gummikugel lässt sich ohne zu Blöken nach links oder nach rechts stupsen, beschleunigt – bei ebenem Gelände – widerstandslos und kommt dann genau dort, wo „Schäferin“ Anja Mitchell es festgelegt hat und Hütehund Dylan, den Plänen seiner Herrin Folge leistend, das Objekt sicher hinlenkt, zur Ruhe: im Tor des Treibballfeldes.

Sinnvolle Aufgabe gesucht

„Jeder Hund muss sinnvoll beschäftigt werden, sonst zeigt er Fehlverhalten“, sagt die Deutsche Meisterin. Als Border Collie gehört ihr Rüde einer jahrhundertealten, ursprünglich aus Großbritannien stammenden Hütehunderasse an. „Dylan ist sehr eifrig und sehr clever“, beschreibt die Westerkappelnerin ihren Vierbeiner, „und wenn er könnte, wie er wollte, würde er 24 Stunden am Tag arbeiten.“ Sie streichelt ihrem Liebling das hellbraune Fell und schüttelt amüsiert den Kopf. „Eine Schafherde wollte ich mir allerdings nicht zulegen“, lehnt die 47-Jährige dankend ab. Eine Bekannte habe sie auf die Hundesportart Treibball aufmerksam gemacht.

Die Szene gestürmt

Das war vor vier Jahren, als der ungestüme Welpe den Haushalt der Familie Mitchell eroberte und nach seiner ureigenen Herausforderung verlangte. Als versierte Hundehalterin – mit Dylans Vorgänger Floyd, ebenfalls einem Border Collie, war Anja Mitchell bereits Deutsche Vizemeisterin im Dog Dancing – erkannte sie schnell, dass sie es hier mit einem ganz besonders talentierten Exemplar zu tun hatte: „Er sieht die Bälle – und schon ist er in seiner Welt.“ Gemeinsam erlernten die beiden beim Treibball-Training der Hundefreunde Lengerich die Kommandos „rechts“, „links“ und „voran“ zu befolgen – und schon begannen sie, die Wettkampfszene zu stürmen.

Ähnlich wie beim Billard

Laut Reglement muss der Hund beim Treibball acht Bälle aus einer Entfernung von 20 Metern sicher ins Tor lenken. Im zweiten Durchgang geben die Wertungsrichter, ähnlich wie beim Billard, auch die Reihenfolge der Bälle vor. Der Hundeführer steht währenddessen im Tor und gibt die Kommandos. Je schneller die Herde im Stall, also die Bälle im Tor, sind und je weniger Kommandos ausgesprochen werden, desto mehr Punkte erhält das Team. „Es ist einfach faszinierend zu beobachten, wie diese Hunde ein bestimmtes Problem, zum Beispiel den blauen Ball aus der Mitte herauszuholen und ihn als ersten ins Tor zu treiben, selber lösen“, sagt Anja Mitchell.

Erst der Job, dann der Feierabend

Dylan blickt sein Frauchen, das es sich während des Gesprächs auf dem schwarzen Sitzball bequem gemacht hat, ungeduldig an. „Mensch, das Viech muss dringend in den Stall!“, signalisiert sein fordernder Blick. Seufzend erhebt sich Anja Mitchell aus ihrer bequemen Position. Bevor er seine Gummiherde nicht in Sicherheit gebracht hat, weiß sie aus Erfahrung, findet ihr Border Collie ja doch keine Ruhe. Das ist schließlich sein Job.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 12.10.2016)