Perforiert die Nutria den Altkreis?

Gut zu erkennen: Die orangerot gefärbten Frontzähne und die weißen Tasthaare unterscheiden die Nutria klar von anderen semiaquatisch lebenden Nagern wie dem Biber oder dem Bisam. Foto:
Gut zu erkennen: Die orangerot gefärbten Frontzähne und die weißen Tasthaare unterscheiden die Nutria klar von anderen semiaquatisch lebenden Nagern wie dem Biber oder dem Bisam. Foto: a2ua.com

Was für Goethes Zauberlehrling der lästige Besen, könnte für den Altkreis Bersenbrück die Nutria werden. Jägerschaft, Unterhaltungsverband 97, Landwirtschaftskammer und Untere Naturschutzbehörde überlegen, wie sie den rastlosen Nager aufhalten können.

Kompakter Körper, dichtes braunes Fell, süße Knopfaugen: Beheimatet in Südamerika, haben die Europäer Myocastor coypus, den als Nutria oder Sumpfbiber bekannten Nager, im vergangenen Jahrhundert über den Atlantik in die Alte Welt geholt. Wegen seines hochwertigen Fells wurde der Pflanzenfresser mit den markant orangerot gefärbten Frontzähnen, der vom Erscheinungsbild zwischen Biber und Bisam steht, in Zuchtfarmen gehalten. Auch das Fleisch der Nutria wurde lange Zeit als Delikatesse gehandelt. Doch der Nutzen von Myocastor coypus schrumpfte: Seine Pelze gerieten aus der Mode, und auch kulinarisch konnte sich der Sumpfbiber nicht so recht durchsetzen.

Kaum zu bremsen

Teilweise ließen die Züchter ihre Bestände aus den Farmen bewusst frei, teilweise entwischten die Tiere auch ungewollt – und siedelten sich als sogenannte Neozoen in der Kulturlandschaft an. Soweit, so gut? Mitnichten: Denn der einst so willkommene Import überraschte seine ehemaligen Halter nun durch eine bis dahin vom Menschen wohl weitgehend unbedachte Eigenschaft: Als Bewohner der Uferbereiche gräbt die Nutria ihre Gänge und Höhlen in die Böschungen oberhalb der Wasserlinie. Die Folgen: Wird die Uferbefestigung zu sehr perforiert, rutschen die Gewässerränder ab, brechen ein – und der Hochwasserschutz bröselt buchstäblich in sich zusammen. Doch genau wie der Besen in Goethes Zauberlehrling, lässt sich der emsige Vierbeiner in seiner Geschäftigkeit kaum bremsen. Kurzum: Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Nager werd ich nun nicht los.

Der Tisch ist reich gedeckt

„In diesem Jahr hat die Nutria an unseren Gewässern Schäden von etwa 30.000 Euro angerichtet“, sagt Georg Lucks, Geschäftsführer des Unterhaltungsverbands 97 Mittlere Hase. Im vergangenen Jahr sei es ähnlich schlimm gewesen. Die milden Winter und der im Altkreis stets reichlich mit Getreide, Kartoffeln und Mais gedeckte Tisch spielen dem Sumpfbiber in die Karten, sodass dessen Bestände sich auch weiterhin vermehren dürften. Für die Zukunft rechnet Lucks daher mit deutlich höheren Kosten.

Extreme Vermehrungsrate

Gemeinsam mit Vertretern der Bersenbrücker Jägerschaft, des Hegerings Quakenbrück, der Unteren Naturschutzbehörde und der Landwirtschaftskammer berieten Lucks und sein Kollege Andreas Höger nun, wie sie dem Problem Herr werden und den Hochwasserschutz in der Region sicher stellen können. „Bis vor fünf Jahren kannten wir die Nutria hier bei uns so gut wie gar nicht“, sagt Martin Meyer Lührmann, Bezirksvorsitzender der Jägerschaften Osnabrück und Emsland. „Aber die Art breitet sich immer weiter aus und vermehrt sich wirklich extrem.“ In der vergangenen Saison haben die Bersenbrücker Grünröcke bereits mehr als 700 Sumpfbiber erlegt. Viele der Tiere seien in Lebendfallen gefangen und anschließend getötet worden. Bei einer Wanderung durch die Reviere bestätigte Marlis Schulz von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises den Jägern nun, dass ihre Fallen den Auflagen des Tierschutzes voll entsprächen: Die in Ufernähe aufgestellten Kästen sind abgedunkelt und werden zweimal am Tag kontrolliert.

Wer bezahlt die Schäden?

Als jagdbares Wild unterliegt die Nutria den Jagdzeiten vom 1. September bis zum 28. Februar. Eine Wildschadensersatzpflicht besteht für sie allerdings nicht. Die Schäden, die sie an den Gewässern anrichtet, trägt daher der Unterhaltungsverband. „Über diesen Punkt sollte aber durchaus einmal diskutiert werden“, regt Georg Lucks an, die Zuständigkeiten zu überdenken. Was bei den Jägern allerdings auf heftige Ablehnung stößt: „Sollte die Nutria wildschadensersatzpflichtig werden, dann würden wir in Hannover Sturm laufen“, kündigt Meyer Lührmann an. „An den wachsenden Strecken kann man ja sehen, dass wir alles tun, um den Bestand kurz zu halten.“ Aber bei einer derart rasant wachsenden Population könne niemand ausschließen, dass irgendwann das Fundament einer Brücke oder ein Hochwasserdamm unterwühlt würden. „Das zu kontrollieren, ist für uns Jäger unmöglich.“

(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 20.09.2016)