Unterwegs im Auftrag der Macht

Sie sorgen dafür, dass Westerkappeln sauber bleibt: Ralf Sommerfeld und der Citymaster 2000. Foto: Ulrike Havermeyer
Sie sorgen dafür, dass Westerkappeln sauber bleibt: Ralf Sommerfeld und der Citymaster 2000. Foto: Ulrike Havermeyer

Dass sich ausgerechnet die kommunale Kehrmaschine Citymaster 2000 als mein persönlicher Jedi-Meister entpuppt, hätte ich mir nicht träumen lassen. Die gemächlich vor sich hin trödelnde Schrankwand auf Rädern habe ich bisher eher als lästiges Hindernis betrachtet.

Doch die Parallelen zwischen dem Citymaster 2000 und Meister Yoda, dem legendären Friedenswächter des Starwars-Universums, sind schwerlich zu übersehen: „Trotz seiner langsamen Gehgeschwindigkeit wurde Yoda von kaum jemandem unterschätzt“, heißt es sinngemäß im Jedipedia-Lexikon. Oft ist der Weg zur Erkenntnis steinig. Und manchmal ist er außerdem mit zerknüllten Papiertaschentüchern, Plastikverpackungen und Zigarettenkippen übersät. Doch wer wie Ralf Sommerfeld zum Jedi-Ritter geworden ist, setzt seine Energie zur Verteidigung und dem Schutz anderer ein. Auch der kommunalen Straßen und Plätze vor der Verunreinigung.

Wöchentlicher Reinigungsplan

Ortstermin auf dem Bauhof. Ralf Sommerfeld hat den Citymaster 2000 mit Diesel betankt und den um die 2,5 Kubikmeter fassenden Auffangbehälter mit 120 Litern Wasser geflutet. Ich lasse mich auf dem links gelegenen Beifahrersitz in der überraschend komfortablen Panoramakabine nieder. „Die Kehrmaschine ist jeden Tag acht Stunden lang in Betrieb“, erklärt Sommerfeld und drückt mir den von der Verwaltung erstellten Wochenreinigungsplan in die Hand. Montags und freitags ist unter anderem der Ortskern dran. Mittwochs werden sämtliche Regengossen gesäubert. Der Donnerstag gehört den Bürgersteigen. Außerdem gilt es, zweimal im Jahr die mehr als 1600 Regeneinlaufschächte im Gemeindegebiet mit dem Saugrüssel der Kehrmaschiene vom gesammelten Unrat zu befreien.

15 Kilometer pro Stunde

„Die meisten Leute sehen die Kehrmaschine als störendes Objekt an“, wirft Ralf Sommerfeld ein, als er mit einer Höchst-Arbeitsgeschwindigkeit von 15 Kilometern pro Stunde die verkehrsberuhigte Zone fertig gefegt hat und Kurs auf den Kirchplatz nimmt. Ja, erinnere ich mich – so habe ich auch empfunden, vor etwa 55 Minuten, als die Macht noch nicht mit mir war. Doch inzwischen habe ich vieles dazugelernt. Vor allem über jene Menschen, die sich als Spielbälle der dunklen Seite der Macht konsequent an den öffentlichen Abfallbehältern vorbeischummeln und ihre leeren Getränkeflaschen, ihre zerquetschten Coffee-to-go-Becher oder ihre Pizzaschachteln achtlos auf das Pflaster fallen lassen.

Ausdauer und Zuversicht

Ralf Sommerfeld ficht diese Rücksichtslosigkeit schon lange nicht mehr an. Gemeinsam mit dem Citymaster 2000 verwandelt er Tag für Tag ein verdrecktes Stückchen Westerkappeln in eine kommunale Wohlfühlecke auf Zeit. Denn nur eine Woche später wird er den Vorgang – mit derselben Ausdauer, Hingabe und Zuversicht, so wie es sich für einen Jedi-Ritter gehört – an gleicher Stelle wiederholen. Außer den Zivilisationsabfällen befördern die beiden Tellerbesen, die aus Draht- und Kunststofffasern bestehen, auch jede Menge Sand, Laub und Hundekot in Richtung Saugmund des Citymasters und halten zudem die Wildkräuter auf den Gehwegen kurz.

Wenn die Kirmes tobt

Der von einer Turbine erzeugte Sog transportiert den Straßenkehricht in den mit Wasser gefüllten Auffangbehälter. „Die Feuchtigkeit sorgt dafür, dass der Schmutz gebunden wird“, erklärt Sommerfeld. Durchschnittlich einmal am Tag entleert er den Edelstahlbehälter. Deutlich häufiger, wenn im Herbst das Laub von den Bäumen fällt oder die Kirmes auf dem Kirchplatz tobt. Die endgültige Entsorgung des Abfalls übernimmt eine Spezialfirma.

Eine neue Perspektive

Innerlich mit mir im Reinen verlasse ich den Bauhof: Nie wieder werde ich mich aufregen, wenn unverhofft der Citymaster vor meinem Pkw auftaucht, um mich ein weiteres Kapitel meditativer Entschleunigung zu lehren. Frei nach dem Motto: Möge die kommunale Macht mit dir sein.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 24.08.2016; Westfälische Nachrichten, 24.08.2016)